Kapitän Singleton
Seite der Sandbank her in einem Halbkreis oder vielmehr einem Dreifünftelkreis, der ungefähr sechs Meilen lang war, sozusagen umzingelt. Da das Wasser über dem anderen Horn oder der 292
Spitze der Sandbank, die sich westlich von uns erstreckte, tiefer war, konnten sie hier nicht so weit vordringen.
Sie hatten keine Ahnung, welchen Dienst sie uns erwiesen, indem sie sich, ohne es zu wissen noch zu wollen, zu unseren Lotsen machten, denn da wir versäumt hatten, die Stelle auszuloten, wäre unser Schiff dort vielleicht gescheitert, bevor wir uns dessen gewahr wurden. Freilich hätten wir unseren neuen Hafen noch ausloten können, bevor wir uns hinauswag-ten, aber ich kann nicht mit Gewißheit sagen, ob wir es getan hätten, denn ich zumindest hatte nicht den geringsten Verdacht, wie unsere Lage tatsächlich war; vielleicht hätten wir uns, bevor wir den Anker lichteten, wirklich ein wenig umsehen sollen. Ganz gewiß hätten wir das tun müssen, denn außer mit diesem Heer von menschlichen Furien hatten wir es auch mit einem sehr lecken Schiff zu tun, und alle unsere Pumpen schafften kaum das Wasser am Steigen zu hindern. Unsere Zimmerleute arbeiteten außenbords, um die Wunden, die das Schiff erlitten hatte, ausfindig zu machen und zu heilen, und sie krängten es zuerst auf die eine und dann auf die andere Seite.
Es war ein sehr unterhaltsames Schauspiel, das wilde Heer, das auf dem östlichen Horn der Sandbank stand, teils vor Freude, teils vor Schreck, derartig verblüfft zu sehen, als unsere Leute das Schiff zu ihrer Seite hin krängten, daß es in ziemlich große Verwirrung geriet, laute Rufe austauschte und auf eine Weise brüllte und schrie, die sich unmöglich beschreiben läßt.
Während wir dies besorgten (denn wie der Leser sich wohl vorstellen kann, taten wir es mit großer Eile) und alle Mann bei der Arbeit waren, sowohl beim Dichten des Lecks als auch beim Flicken der Takelage und der Segel, die ziemlich viel Schaden erlitten hatten, und dazu eine neue Großmarsstenge setzten und dergleichen mehr – während wir also all dies taten, bemerkten wir, daß sich ein Trupp von Leuten, fast tausend Mann, von dem Teil des Barbarenheers, der in der Mitte der Sandbucht Stellung bezogen hatte, löste, zum Strand hinunter-293
kam und die Sandbank entlangmarschierte, bis er, etwa eine halbe Meile weit von uns entfernt, unserer östlichen Breitseite gerade gegenüberstand. Danach sahen wir den Holländer ganz allein mit seiner weißen Flagge und allen seinen Armbewegun-gen genau wie das erstemal näher kommen, und dann blieb er stehen.
Als jene vor unsere Breitseite kamen, hatten unsere Leute das Schiff soeben erst wieder aufgerichtet, nachdem sie das schlimmste und gefährlichste Leck glücklicherweise gefunden und zu unserer großen Zufriedenheit gedichtet hatten. Ich befahl deshalb, die Boote wie am Tage zuvor aufzuholen und zu bemannen, und William sollte als Bevollmächtigter fahren.
Ich wäre selbst gefahren, wenn ich Holländisch verstanden hätte, da dies aber nicht der Fall war, hatte es keinen Zweck, denn ich erführe nichts von dem, was gesagt wurde, als nur durch William, sozusagen aus zweiter Hand, was ebensogut auch hinterher geschehen konnte. Die einzige Anweisung, die ich ihm gab, war, wenn möglich den alten Holländer von dort fortzuholen und ihn, wenn er konnte, zu veranlassen, an Bord zu kommen.
Nun, William fuhr genau wie das letztemal, und als er ungefähr sechzig oder siebzig Yard weit vom Ufer entfernt war, hielt er – ebenso wie der Holländer – seine weiße Flagge hoch und drehte die Breitseite des Boots dem Ufer zu; seine Leute nahmen die Riemen aus dem Wasser, und die Verhandlung oder der Dialog begann wieder folgendermaßen:
William: Nun, Freund, was hast du uns jetzt zu sagen?
Holländer: Ich komme mit dem gleichen friedfertigen Auftrag wie gestern.
William: Was? Du behauptest, mit einem friedfertigen Auftrag zu kommen, wo du doch all diese Leute da im Rücken hast und all diese törichten Kriegswaffen, die sie mitgebracht haben? Ich bitte dich, was meinst du?
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Holländer: Der König drängt uns, wir sollen den Kapitän und seine ganze Mannschaft einladen, an Land zu kommen, und er hat allen seinen Leuten befohlen, ihnen sämtlich mit der größten nur möglichen Höflichkeit zu begegnen.
William: So, und sind alle diese Leute dort gekommen, um uns an Land einzuladen?
Holländer: Sie werden Euch nichts zuleide tun, wenn Ihr friedlich an Land kommt.
William: Nun,
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