Kapitän Singleton
des Herumkreuzens so gut gefällt, daß ich es nie mehr aufgeben möchte. Laß hören, ob du mir irgend etwas vorschlagen kannst, was darüber hinausgeht.“
„Gewiß, Freund“, sagte William sehr ernst, „es gibt etwas, was darüber hinausgeht.“ Er hob die Hände, schien sehr bewegt zu sein, und ich glaub te, Tränen in seinen Augen zu sehen; aber ich, der ich ein viel zu hartgesottener Kerl war, um mich von solchen Dingen rühren zu lassen, lachte ihn aus.
„Was“, sagte ich, „ich wette, du meinst den Tod, nicht wahr?
Der geht über dieses Gewerbe hinaus. Nun, wenn er kommt, dann kommt er eben, dann sind wir alle darauf gefaßt.“
„Freilich“, sagte William, „das stimmt, aber es wäre besser, man denkt an manche Dinge, bevor es soweit ist.“
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„Daran denken!“ erwiderte ich. „Was bedeutet es schon, wenn man daran denkt? An den Tod zu denken heißt sterben, und wenn man immer an ihn denkt, stirbt man sein ganzes Leben lang. Man hat noch Zeit genug, daran zu denken, wenn er kommt.“
Der Leser wird ohne weiteres glauben, daß ich zu einem Piraten wohlgeeignet war, da ich so sprechen könnte. Aber er möge mir erlauben, es hier niederzuschreiben, damit andere hartgesottene Schurken, wie ich einer war, es sich merken: Mein Gewissen versetzte mir einen Stich, wie ich ihn noch nie zuvor verspürt hatte, als ich erklärte: „Was bedeutet es schon, wenn man daran denkt?“, und sagte mir, eines Tages würde ich mich betrübten Herzens an diese Worte erinnern, aber die Zeit der Überlegung war für mich noch nicht gekommen, und so sprach ich weiter.
Da sagte William sehr ernst: „Ich muß dir sagen, Freund, daß es mir leid tut, dich so reden zu hören. Diejenigen, die niemals an den Tod denken, sterben häufig, ohne daran zu denken.“
Ich fuhr noch eine Weile fort zu scherzen und sagte: „Ich bitte dich, sprich nicht vom Sterben. Woher wissen wir denn, daß wir überhaupt jemals sterben werden?“ Und ich begann zu lachen.
„Darauf brauche ich dir nicht zu antworten“, sagte William,
„es kommt mir nicht zu, dich zu tadeln, der du hier mein Befehlshaber bist, aber mir wäre es lieber, wenn du auf eine andere Weise über den Tod reden würdest – die hier ist sehr roh.“
„Sag zu mir, was du willst, William“, antwortete ich, „ich werde es wohlwollend aufnehmen.“ Mich begannen seine Äußerungen jetzt sehr zu bewegen.
Da sagte William (und die Tränen liefen ihm über die Wangen): „Gerade weil die Menschen leben, als müßten sie niemals sterben, sterben so viele, bevor sie gelernt haben zu leben. Ich 328
meinte aber nicht den Tod, als ich sagte, es gebe etwas, an was man denken sollte, was über diese Art des Lebens hinausgeht.“
„Nun, William“, fragte ich, „und das wäre?“
„Die Reue“, erklärte er.
„Wieso“, sagte ich, „hast du schon jemals gehört, daß ein Seeräuber Reue empfunden habe?“
Das ließ ihn ein wenig auffahren, und er antwortete: „Am Galgen habe ich schon einmal einen kennengelernt, und ich hoffe, du wirst der zweite sein.“
Er sagte dies sehr liebevoll und offensichtlich sehr um mich besorgt.
„Nun, William, ich danke dir“, erwiderte ich, „und ich stehe diesen Dingen auch nicht so gefühllos gegenüber, wie ich mir den Anschein gebe. Aber vorwärts, laß mich deinen Vorschlag hören.“
„Mein Vorschlag soll dir ebenso zum Wohle gereichen wie mir“, sagte William. „Wir können mit dieser Art Leben Schluß machen und bereuen, und ich glaube, gerade jetzt bietet sich uns die beste Gelegenhe it dazu, die sich uns je geboten hat oder jemals bieten wird oder die es überhaupt nur geben kann.“
„Hör zu, William“, sagte ich, „laß mich zuerst einmal deinen Vorschlag erfahren, wie man unserer jetzigen Lebensweise ein Ende setzen kann, denn darum handelt es sich ja gegenwärtig; von dem anderen werden wir später reden. Ich bin nicht so gefühllos“, sagte ich, „wie du vielleicht von mir glaubst. Aber laß uns zuerst aus dieser teuflischen Lage herauskommen, in der wir gegenwärtig sind.“
„Gewiß“, erklärte William, „da hast du recht. Wir dürfen nicht von Reue sprechen, solange wir auch weiterhin Seeräuber sind.“
„Freilich, William“, entgegnete ich, „das meine ich ja, denn wenn wir uns nicht bessern müssen, abgesehen davon, daß uns das Geschehene leid tut, dann habe ich keine Ahnung, was Reue bedeutet; im besten Fall weiß ich tatsächlich nur wenig 329
über die Sache, aber die Natur der
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