Kapital: Roman (German Edition)
man so schnell nicht wieder. Es sah aus, als hätte sich erst ein Kind zusammengereimt, wie man ein Auto baut, und daraufhin ein Riese es zusammengesetzt, dessen Hände aber zu groß waren, um die kleinen Details richtig hinzukriegen. Weil einzelne Teile noch ganz zum Schluss hinzugefügt worden waren und daher abstanden – Teile, die die Brüder nirgendwo sonst hatten unterbringen können –, erinnerte das Ganze auch irgendwie an einen Igel. Alle waren sich einig, dass es sich hier um eine sehr eindrucksvolle Arbeit handelte. Der Titel des Werks war Kann es je eine Politik des Traumes geben? Daraus leitete sich auch das Thema der Party her: »Politik des Traumes«. Weshalb wiederum am Eingang der Lagerhalle lauter Schwert- und Feuerschlucker ihr Unwesen trieben und die Kellner ausschließlich Zwerge waren.
Smitty hatte die Einladung zu der Party von seinem Dealer geschickt bekommen – seinem Dealer im doppelten Sinne: früher nur für Drogen, jetzt auch für Kunst –, und Smitty hatte Lust gehabt zu kommen und das dann auch getan. Er wollte sich umschauen, nicht nur, um die Arbeiten der beiden Brüder zu sehen, von denen er bereits gehört hatte, sondern auch, um ein Gefühl für den Raum zu bekommen, für die Atmosphäre, für das, was so vor sich ging und was vielleicht in naher Zukunft noch vor sich gehen würde. Kunst war ein Geschäft. Das mochte man vielleicht nicht gut finden, aber es wäre unklug gewesen, diese Tatsache zu ignorieren. Es war immer eine gute Idee, herumzuschnüffeln und die anderen Akteure in Augenschein zu nehmen. Aus diesem Grund liebte Smitty es, auf Kunstpartys zu gehen. Außerdem war es unwahrscheinlich, dass irgendjemand ihn erkennen würde, selbst inmitten all dieser Angehörigen der Kunstszene. Denn in der Szene kursierte das Gerücht – ein Gerücht, das Smitty selbst in die Welt gesetzt hatte, durch eine Andeutung, die sein Kunstdealer für ihn hatte fallen lassen –, dass Smitty schwarz war. Die Existenz dieses Gerüchts war für Smitty das Wunderbarste, Allertollste, was es in der ganzen weiten Welt nur geben konnte.
Es bestand also keine Gefahr, dass seine Identität hier auffliegen würde. Trotzdem war er vorsichtig und ging eher selten auf Partys. Denn wenn man ihn bei solchen Gelegenheiten zu oft sähe, würden die Leute ernstlich anfangen, sich zu fragen, wer er wohl sei, statt ihn nur mit einem flüchtigen neugierigen Blick zu streifen. Smitty spielte gern ein bisschen mit seiner Anonymität, aber er zog es vor, selbst die Spielregeln zu definieren und auch der Einzige zu sein, der das Spiel überhaupt spielte. Deswegen trug er immer Schlips und Anzug, nicht zu elegant, aber auch nicht zu schmierig oder mafiosomäßig; und falls ihn jemand fragte, was er beruflich machte, dann erzählte er, er arbeite als Steuerberater für die Versicherung der ausstellenden Künstler. Die Leute hörten dann immer sehr schnell auf zu reden und machten sich aus dem Staub. Und falls sie es nicht taten – nun, Smitty hatte ein Wirtschaftsdiplom und war zuversichtlich, dass er sich in einem Gespräch schon durchmogeln würde. Darüber hinaus nahm er auch immer einen Assistenten mit, der als Anhang und Tarnung fungieren konnte. Sogar ein so unbrauchbarer Nigel wie der jetzige konnte eine gute Tarnung sein, denn es wirkte so, als würde Smitty sich mit ihm unterhalten, während er in Wirklichkeit den Talentpool inspizierte, der sich im Raum befand – und damit meinte er Talent in jeglicher Hinsicht.
Smitty erkannte ungefähr ein Drittel der Leute hier; das entsprach etwa dem Durchschnitt. Es gab mehrere Kunsthändler, die hauptsächlich Sekt tranken, ein paar Künstler, die meist Spezialbräu tranken (nettes kleines Detail in der Partyplanung), und ein paar Zivilisten, die entweder Sekt oder Leitungswasser bevorzugten. Das Wasser wurde in Flaschen serviert, die mit der Aufschrift »Frisch gezapftes Londoner Wasser« bedruckt waren (noch ein schickes kleines Detail). Die Händler waren zum Großteil lässig elegant, wenn auch teuer gekleidet, die Künstler hatten viel Sorgfalt darauf verwandt, wahnsinnig schlampig auszusehen, und die Zivilisten trugen Anzüge. Daher auch Smittys »Verkleidung«. Es gab mehr Ausländer als gewöhnlich, was interessant war. HauptsächlichDeutsche, dachte Smitty. Die Sache mit den Brüdern hatte sich ziemlich schnell und weit rumgesprochen. Deutschland war ein sehr lukrativer Absatzmarkt, wie Smitty nur zu gut wusste. Ungefähr ein Drittel der Einkünfte
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