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Kapital: Roman (German Edition)

Kapital: Roman (German Edition)

Titel: Kapital: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Lanchaster
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sehen, ob sie auch alle da waren, und dann liefen sie hinaus aufs Feld. DasAdrenalin, die Anspannung, der Lärm und das plötzliche Hinaustreten ins Tageslicht verschmolzen zu einem einzigen Sinneseindruck. Freddy konnte sich nicht erinnern, je so aufgeregt und nervös gewesen zu sein. Er trug einen Ball unter dem Arm, und als er aufs Feld hinauskam, schoss er ihn mit Wucht vor sich auf den Rasen und sprintete ihm dann hinterher. Die Menge brüllte und stimmte den Gesang an, den sie für ihn erfunden hatten: Fredd-y, Fredd-y. Er tat so, als bemerkte er das nicht und als würde er sich nicht darüber freuen, aber sein Herz glühte vor Stolz. Dann passten er und der Stürmer sich ein paar Bälle zu. Schließlich lupfte Freddy den Ball hoch und köpfte ihn dann vom Spielfeld. Er war bereit. Er wusste, dass sein Vater da war, oben in der Loge des Geschäftsführers, aber er wusste auch, dass er ihn nicht würde sehen können, selbst wenn er nach ihm Ausschau hielt. Das war perfekt.
    Bereits eine Minute nach dem Anstoß hatte er seine erste Ballberührung. Die anderen wussten, dass er nervös sein würde. Der Mittelfeldspieler, der die treibende Kraft der Mannschaft war – der die Gegner deckte, angriff, das Feld hinauf und hinunter lief, der die gegnerischen Spielzüge aufbrach und kurze Pässe spielte, um sein eigenes Team in ständiger Bewegung zu halten, der nie etwas besonders Bemerkenswertes zu tun schien, aber auch noch nie einen Fehler gemacht oder ein schlechtes Spiel gespielt hatte – schob Freddy einen kurzen Pass zu, während sein Verteidiger ein paar Meter weit weg war. Freddy erreichte den Ball, drehte sich mit ihm in einer einzigen Bewegung um und sah, dass der Verteidiger zurückgefallen war. Er hatte gar nicht erst versucht, mit Freddy Schritt zu halten. Das bedeutete, dass er wusste, mit wem er es zu tun hatte, und Vorsicht walten ließ. Sie hatten Angst vor ihm: ein gutes Zeichen. Er lief zwei Schritte und schlug dann im rechten Winkel einen Pass zu dem Stürmer. Der versuchte, zurückzupassen, wurde aber von seinem Manndecker blockiert, so dass der Ball von ihm abprallte und ins Seitenaus ging.
    Sie spielten gut heute. Sie hatten den meisten Ballbesitz, aber in den ersten zehn Minuten noch keine Torchance. Es gab Tage indiesem Club, mit diesen Spielern, an denen sie andere Mannschaften mit einer schier unwiderstehlichen Wucht zu überrollen schienen. Die Gegner waren nur da, weil sie da sein mussten, sie waren nur da, damit es auch ein richtiges Spiel geben und Freddys Mannschaft gewinnen konnte. Heute schien ein solcher Tag zu sein. Die Gastgeber waren schneller, spielten flüssiger; es war genau wie der Trainer gesagt hatte: Sie waren einfach die Besseren. Zehn Minuten nach Spielanfang lief der zentrale Mittelfeldspieler mit dem Ball nach vorne, und Freddy beschloss, etwas auszuprobieren. Sein Verteidiger ließ sich immer ein wenig zurückfallen, wenn er konnte. Man hatte ihn gewarnt, nicht zu nahe heranzukommen, damit Freddy nicht einen seiner Tricks abziehen und ihn einfach stehenlassen konnte. Also gut. Freddy hatte keinerlei Theorien im Kopf, jedenfalls nicht, soweit ihm das bewusst war, aber besonders eine Strategie hatte er ganz instinktiv erfasst: Tue das Gegenteil von dem, was dein Gegner von dir will. Statt also nach offenen Räumen zu suchen, die außerhalb des Wirkungskreises des Verteidigers lagen, driftete Freddy näher an ihn heran und zwang ihn dadurch, noch weiter zurückzuweichen. Im Grunde genommen musste er vor Freddy davonlaufen, immer weiter zurückweichen, oder er musste es hinnehmen, im Niemandsland gefangen zu sein und näher an Freddy herangezwungen zu werden, genau dorthin, wo er auf keinen Fall sein wollte. So kam es, dass der Außenverteidiger gerade in dem Moment nahe an Freddy heranlief, als der o-beinige Mittelfeldspieler mit rechts ausholte, um ihm den Ball zuzuspielen. Perfekt. Freddy machte einen halben Schritt auf den Ball zu, hielt dann inne und verlagerte das Gewicht auf sein linkes Bein, während der Verteidiger auf ihn losstürmte. In dem Moment, als der Pass ihn erreichte, täuschte er an und riss seinen Körper in einer einzigen Bewegung herum. Das war’s, weg war er. Aber gerade in dem Moment, als er dachte, ich habe ihn besiegt, rutschte der riesige gegnerische Spieler, der erst spät zum Sprung angesetzt hatte, mit ausgestrecktem rechten Bein und dem Gewicht seiner gesamten Körpermasse genauin die Stelle hinein, wo vor einer Zehntelsekunde noch der Ball

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