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Kapital: Roman (German Edition)

Kapital: Roman (German Edition)

Titel: Kapital: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Lanchaster
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gewesen war, sich aber nun Freddys gestrecktes linkes Bein befand. Es war ein ziemlich rücksichtsloser Angriff, aber er geschah ohne böse Absicht. Das Bein des Verteidigers traf Freddy etwa dreißig Zentimeter über dem Knöchel, und sogar die Zuschauer, die in der fünfzehnten Reihe saßen, konnten hören, wie der Knochen splitterte. Und die Leute, die das nicht hören konnten, sahen, wie Freddy schrie und sich mit dem Oberkörper von einer Seite auf die andere wälzte, und die Fans ganz hinten in der letzten Reihe, die gar nichts mehr hörten, konnten sehen, dass die untere Hälfte seines Beins vom Knie aus nach hinten gekrümmt war, und zwar in einem Winkel, der menschenunmöglich war.

56
    An einem warmen Morgen im Mai, zwei Wochen nach seinem gescheiterten Versuch, sich von Davina zu trennen, stand Zbigniew vor der Haustür Nummer 42 in der Pepys Road. Er hatte von anderen Leuten in der Straße gehört, dass die Besitzer das Haus renovieren wollten, und angerufen, um einen Besichtigungstermin für einen Kostenvoranschlag zu machen. Arbeit. Gott sei Dank, dass es Arbeit gab. Während er arbeitete, musste er nicht an Davina denken und an diese Sackgasse, diese ausweglose Situation, diese Ich-sitze-in-der-Falle-Katastrophe, zu der er sein Leben gemacht hatte. Während der Arbeit schaffte er es, zehn oder fünfzehn Minuten lang nicht daran zu denken. Das waren gute zehn oder fünfzehn Minuten. Die besten des ganzen Tages.
    Zbigniew betrachtete das Haus aus einem professionellen Blickwinkel, während er davor stand. Er kannte diese Art Gebäude gut. Ordentlicher Zustand, hässlich, aber solide. Solche Jobs hatte er schon oft gemacht: das Ganze etwas moderner und zeitgemäßer gestalten, die elektrischen Leitungen erneuern und ein paar Installationsarbeiten erledigen. Ein Auftrag mit recht ordentlichem Umfang. Der Kostenvoranschlag würde in einem relativ hohen vierstelligen Bereich liegen.
    Die Frau, mit der er telefoniert hatte, öffnete die Tür. Sie sah müde aus und älter, als sie am Telefon geklungen hatte. Mrs Mary Leatherby. Sie machte ganz den Anschein, als würde sie der Angelegenheit, um die es sich hier drehte, nicht ihre volle Aufmerksamkeit widmen. Zbigniew wusste, wie sich das anfühlte, und nahm es ihr nicht übel. Er interessierte sich ja auch nicht für sie. Sie zeigte ihm das Erdgeschoss. Es war genau so, wie er es erwartet hatte. Linoleum. Rausreißen, neu streichen, die alte Küche ausbauen und eine neue Einbauküche einbauen. Die Elektroleitungenüberprüfen. Zbigniew schätzte, dass sie in Ordnung sein würden; es sah nicht so aus, als sei das Haus marode. Es wirkte einfach nur müde. Die Toilette unter der Treppe war entsetzlich, und Mrs Leatherby würde sie gerne entfernen. Dazu würde er sich Hilfe holen müssen, aber das war kein Problem. Kostenvoranschlag im unteren fünfstelligen Bereich. Er kritzelte etwas in sein Notizbuch.
    Das Wohnzimmer war auch ziemlich unkompliziert. Die Entscheidungen, die sie hinsichtlich der Renovierung traf, deuteten darauf hin, dass sie vorhatte, das Haus zu verkaufen. Alles sollte neutral werden, cremefarben und weiß. Moderne Ausstattung. Kein Problem. Zbigniew wusste, wie man so etwas hinbekam. Weiteres Gekritzel ins Notizbuch. Der Kostenvoranschlag stieg in Richtung eines mittleren fünfstelligen Bereichs. Sie gingen weiter durchs Haus. Oben gab es ein Bad, das ungefähr im gleichen Zustand war wie das unten, aber dieses sollte nicht rausgerissen, sondern renoviert werden. Mehr Arbeit, bei der er einen Subunternehmer brauchen würde. Kein Problem. Neue Badewanne, Dusche, Waschbecken, Schränke und Armaturen, gute Gewinnspanne, der Subunternehmer würde sich freuen. Kostenvoranschlag im mittleren fünfstelligen Bereich.
    »Es gibt noch ein weiteres Schlafzimmer, aber da können wir nicht rein«, sagte Mrs Leatherby. Dann zeigte sie ihm ein kleines Arbeitszimmer mit einem Schlafsofa, das sie offensichtlich zum Übernachten benutzte. Auch hier sollte das Linoleum raus und vielleicht durch einen Teppich ersetzt werden. Das war ein Job für einen Spezialisten, so etwas konnte er nicht selbst machen, aber das würde er ihr jetzt noch nicht sagen. Er konnte einfach einen gewissen Betrag zu der Gesamtsumme hinzuaddieren und dann später jemanden damit beauftragen. Sie hatte ohnehin keine besonders klare Vorstellung davon, was sie eigentlich wollte, also war es viel zu früh für solche Details. Ein Kunde, der nicht wusste, was er wollte, war gleichzeitig der

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