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Kapital: Roman (German Edition)

Kapital: Roman (German Edition)

Titel: Kapital: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Lanchaster
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Slow-Carb-Diät-Typ, der sich morgens eine Schüssel mit Haferbrei in die Mikrowelle stellte. Diesen gigantischen Teller mit frittiertem Zeugs hatte er sich nur deshalb bestellt, weil es noch etwas anderes gab, das mit seinem Tag nicht stimmte: Er hatte einen Pelzgeschmack im Mund und einen riesigen, stinkenden, kopfzersprengenden, dröhnenden Kater. Ein Kumpel von ihm hatte letzte Nacht eine Party geschmissen, mit einem Achtzigerjahremotto, und es war ziemlich lustig gewesen. Einige Leute hatten sich im New-Romantic-Look eingekleidet, als Piraten oder Dandys, es wurden Duran Duran und Wham! gespielt, und als weitere Hommage an das Motto gab es Tequila Slammers. Zu Beginn des Abends hatte Smitty es noch für eine gute Idee gehalten, sich ein paar davon einzuverleiben. Er war normalerweise – und das gehörte zu seinen Lebensregeln – mit Alkohol genauso vorsichtig wie mit Drogen. Aber Tequila Slammers und ein Achtzigerjahremotto: Da konnteman gar nicht anders, als mitzumachen. Und die Konsequenzen davon musste er jetzt ausbaden.
    Smitty nahm sich grundsätzlich nie den nächsten Tag frei, wenn er einmal über die Stränge schlug. Das war einer der Gründe, warum er es meistens vermied, sich die Kante zu geben. Er konnte bei dieser Regel nur gewinnen: Er ließ sich viel seltener volllaufen und arbeite am Ende mehr. Weil man sich als Künstler so oft frei nehmen und so oft ausschlafen konnte, wie man wollte, war man versucht, das ein wenig zu viel und zu oft zu tun. Smitty hatte ein paar Freunde, die genau das taten. Er selbst hielt sich jedoch strikt an seinen Samurai-Kodex und hatte sich deshalb quer durch die Stadt zu diesem Treffen geschleppt. Weswegen es natürlich doppelt ärgerlich war, dass es da diese Panne gegeben hatte. Unglücklicherweise half es jedoch nichts, wenn man sich selbst damit brüstete, dass man gerade einem Samurai-Kodex folgte; man fühlte sich deshalb nicht weniger verkatert. Von dieser Warte aus gesehen, stand die Sache auf Messers Schneide. Das Riesenfrühstück hatte sich, als es ihm serviert wurde, als ziemlich heikle Herausforderung erwiesen, denn es war von einer dicken Fettschicht überzogen. Nach ein paar Bissen hatte er sich zwar etwas besser gefühlt. Leider aber hatte sich das sofort wieder ins Gegenteil verkehrt. Deshalb gönnte sich Smitty gerade eine Pause, bevor er sich dem Teller aufs Neue widmete.
    Schien anfangs noch wie eine gute Idee . Das wäre doch kein schlechter Titel für das Projekt mit dem gigantischen Betondildo.
    Das Café war nicht besonders vornehm. Aber Smitty mochte das. Es gab hier etwas, das er, wenn er es in einem Café, Pub oder Restaurant sah, immer als ein Zeichen dafür nahm, dass der Laden authentisch war: einen Tisch mit vier Männern, die alle leuchtend gelbe Warnwesten trugen. Im Hintergrund spielte ein Radio den Sender Heart FM . Es wäre alles perfekt gewesen, wenn er sich nicht so schrecklich darauf hätte konzentrieren müssen, nicht zu kotzen. Um sich von seiner zunehmenden Übelkeit abzulenken, griff Smitty sich die South London Press . Auf der Titelseite standein Bericht über eine Messerstecherei an einer Bushaltestelle, der ein schwarzer Teenager zum Opfer gefallen war. Smitty hegte schon seit Langem die Überzeugung, dass längst die Armee durch die Straßen patrouillieren würde, wenn weiße Leute mittleren Alters ebenso oft niedergestochen würden wie schwarze Teenager. Auf Seite zwei beklagte man sich über die Eröffnung eines neuen Tescos – man brauchte nicht lange zu raten, wer diesen Kampf wohl gewinnen würde –, und auf Seite drei regten sich ein paar Leute über die Parkplatzregelung auf (»Die Anwohner sind nach eigener Aussage hart an der Belastungsgrenze«). Auf Seite vier protestierte man gegen die geplante Schließung einer Bibliothek, und auf der fünften Seite war oben das Foto eines Kindes gedruckt, das in einer Kirmes auf einem Esel reitet, und unten gab es einen kurzen Artikel über die Straße, in der seine Großmutter gewohnt hatte, und über die » W IR W OLLEN W AS I HR H ABT «-Geschichte. Anscheinend waren die Karten und all das Andere weiterhin verschickt worden, weshalb man nun ein Treffen der Nachbarschaftshilfe anberaumt hatte.
    Smitty richtete sich plötzlich auf. Er hatte die Karten seiner Mutter gegenüber erwähnt, und sie selbst hatte ebenfalls ein oder zwei Mal darüber gesprochen. Mittlerweile wurde das Haus jedoch renoviert, und er hatte keine Ahnung gehabt, dass das Ganze eine, wie die Zeitung es

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