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Kapital: Roman (German Edition)

Kapital: Roman (German Edition)

Titel: Kapital: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Lanchaster
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und die Regale im Laden aufzufüllen, und jeder mich anstarrt, weil ich eine so schlechte Mutter bin, selbst dann ist es besser als Schwarz-Weiß.
    Vielleicht war das ja genau das, was mit Mrs Kamal passiert war. Vielleicht war es diese unglaubliche Menge an Emotionen gewesen, mit der sie nicht fertig geworden war; die irgendwie nicht zu ihren Erwartungen an das Leben gepasst hatte, und zu dem, was sie für sich selbst erhofft hatte. Vielleicht war es ja auch eine Art chemische Reaktion gewesen, die schiefgelaufen war. Sie hätte eigentlich X fühlen müssen; stattdessen hatte sie aber Y gefühlt. Die Erlebnisse, die theoretisch dazu hätten führen sollen, einen reiferen Menschen aus ihr zu machen, hatten sie stattdessen verbittert. Statt also älter und weiser zu werden, war sie älter und gereizter geworden; und jetzt umgab sie diese Gereiztheit wie ein schlechter Geruch. Und ihr Ärger war ansteckend, so wie das Gähnen einer anderen Person. Rohinka wusste jetzt, dass das der Grund war, warum die Kamal-Brüder so waren, wie sie waren. Siealle waren im Grunde vernünftige Menschen (mit Ausnahme von Usman, der in vielerlei Hinsicht noch ein Teenager war). Sie waren ruhig und zurechnungsfähig und kamen mit dem Leben klar; sie waren Männer, mit denen man reden und diskutieren konnte und die die Dinge im richtigen Verhältnis sahen. Aber im Umgang miteinander und mit ihrer Mutter und bei allem, was mit der Familie Kamal zu tun hatte, waren sie ständig gereizt und verärgert. Es war nicht so, als eckten sie aneinander an – die Sache war einfach von vorneherein verkorkst und wurde auch nicht besser. Ahmed, der sich kaum je über irgendetwas aufregte – er hatte ein so ausgeglichenes Temperament, dass es fast an sträfliche Passivität grenzte, an eine Unfähigkeit, die Dinge in die Hand zu nehmen –, geriet wegen seiner Brüder und seiner Mutter regelmäßig in Rage. Es war fast so, als würden sich die Kamals, wenn sie beisammen waren, immer in ihren speziellen Wut-Raum zurückziehen, ähnlich wie der Panikraum in dem Jodie-Foster-Film.
    Schieb es alles auf die Mutter – so ist’s recht, immer alles auf die Mutter schieben. Seit Rohinka selbst Mutter geworden war, fiel ihr viel eher auf, wie gerne die Leute immer die Mütter für alles verantwortlich machten. Es konnte unmöglich die Erklärung für alles sein, was schiefging. Aber in diesem Fall war sie überzeugt davon, dass Mrs Kamal tatsächlich die Verantwortung trug. Rohinka würde sich nie im Leben ihren eigenen Kindern gegenüber so verhalten, ganz bestimmt nicht. Sie schaute sich im Raum um und betrachtete all die ungetane Arbeit, die Zeitungen, die sie noch nicht ausgepackt, und die Regale, die sie noch nicht aufgefüllt hatte. Bald würden schon die ersten Kunden kommen. Sie seufzte noch einmal.
    »Bist du böse, Mami?«, fragte Fatima.
    »Nein, ich bin nicht böse. Nicht auf dich. Ich habe an Erwachsenenkram gedacht.«
    Jetzt war es an Fatima, einen großen theatralischen Seufzer auszustoßen. Rohinka winkte sie auf ihren Schoß, und Fatima kletterte hinauf.
    »Ich bin nie böse auf dich, ganz tief drin bin ich das nie. Sogar wenn ich ärgerlich bin, hab ich dich immer noch lieb.«
    »Das weiß ich doch, Mami«, sagte Fatima. Und das stimmte auch. Sie wackelte und zappelte auf Rohinkas Schoß herum, um die bequemste Position zu finden. Und während Rohinka noch dort saß und einen Moment lang vollkommen glücklich war, schaute sie auf und sah, wie sich die Tür öffnete, zunächst vorsichtig und dann ganz schlagartig, und plötzlich waren mehrere schwarzblau gekleidete, brüllende Männer im Laden, die sich sehr schnell und laut bewegten und die eine solche Atmosphäre von Gewalt und Chaos mit sich brachten, dass sie ein paar Sekunden brauchte – es konnten nur ein paar Sekunden gewesen sein, aber in diesem Moment fühlte es sich viel länger an –, um zu verstehen, was diese Männer brüllten: »Polizei! Spezialeinheit!«

70
    Es wäre unmöglich, all die Dinge aufzuzählen, durch die sich Shahids Lebensqualität verbessert hatte, seit Iqbal ausgezogen war. Es waren einfach zu viele. Eine der wichtigsten Veränderungen war jedoch, dass Shahid jetzt viel besser schlafen konnte. Er war immer schon ein sehr begabter Langschläfer gewesen, was nur gut war, denn er brauchte seinen Schlaf. Der alles vergiftende Belgier, der sich in der Wohnung breitgemacht und den Weg zum Bad blockierte, hatte sich jedoch so tief in Shahids Gedanken eingeschlichen,

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