Kapital: Roman (German Edition)
war, dass Parker selbst daran glaubte. Parker würde etwas mit seinem Leben anfangen, da war sie sich sicher. Ob es sich dabei um eine Künstlerkarriere handeln würde, da war sie sich schon weniger sicher. Sie glaubte nicht, dass er wirklich ein Gespür dafür hatte, wie es in der Kunstwelt so zuging. Dabei war es weniger entscheidend, ob er Talent hatte oder nicht, sondern ob er in der Lage war zu verstehen, wie die Dinge in dieser Welt funktionierten. Es war ein weiter Weg von Norfolk in die Welt der Künste. Dort ging es nicht darum, ob man in der Lage war, nette kleine Collagen zusammenzustellen, und ob dein Kunstlehrer dir sagte, dass du der begabteste Schüler in der Klasse seist. Daisy hatte den Eindruck, dass es in der Kunstwelt vielmehr darum ging, ob man sich mit den Spielregeln auskannte, den Regeln für ein Spiel, an dem nur Erwachsene beteiligt waren und das von einem mörderischen Ernst geprägt war. Und Parker schien es nicht ganz klar zu sein, wie dieses Spiel gespielt wurde. Aber all das war Daisy letztlich egal, Parkers Naivität war einer der Gründe, warum Parker eben Parker war, und das war einer der Gründe, warum sie ihn liebte und ihm vertraute. Wenn er kein Künstler wurde, dann wurde er eben etwas anderes. All das war der normale Parker, der Parker, den sie schon seit Monaten nicht mehr gesehen hatte und an den sie sich nur noch mit größter Anstrengung erinnern konnte.
Das lag daran, dass es seither drei aufeinanderfolgende andere Versionen von Parker gegeben hatte. Der erste war der Sprachlos-vor-Kummer-Parkergewesen. Der war kurz nachdem er plötzlich entlassen worden war, zum Vorschein gekommen – oder zumindest behauptete Parker in seiner Version der Geschichte, dass es ganz plötzlich passiert sei. Daisy war jedoch davon überzeugt, dass es so etwas wie eine völlig unvorhersehbare Kündigung gar nicht gab, es sei denn, man setzte mit seinem Auto zurück und überfuhr dabei aus Versehen den Lieblingshund seines Chefs. Aber für Parker war die Entlassung ganz plötzlich gekommen, und das war letztlich die Hauptsache. Er war wochenlang ganz verloren gewesen, in sich gekehrt, begraben unter dem erdrückenden Gefühl von Kummer und Groll. Das war natürlich ziemlich traurig gewesen, und er hatte ihr auch leidgetan, aber gleichzeitig war es ihr auf die Nerven gegangen. Das lag nicht zuletzt daran, dass Daisy, die aus härterem Holz geschnitzt war als er, der Ansicht war, dass letztendlich die Verantwortung für eine Entlassung immer noch bei der Person lag, die ihren Job nicht richtig gemacht hatte. Wenn man gefeuert wurde, dann hatte man sich das am Ende eigentlich nur selbst zuzuschreiben. Am besten schluckte man das Ganze runter und ging zu anderen Dingen über. Aber das konnte sie ihm schlecht sagen, was die Situation nur noch ärgerlicher machte. Sie war also hocherfreut, als sich Parker nach dem Wochenende in den Cotswolds, zu dem sie ihn im Frühjahr eingeladen hatte, damit er sich endlich zusammenriss, tatsächlich endlich zusammenzureißen schien. Einfach so, von einem Moment auf den anderen: Er hatte eine Idee gehabt oder irgendeinen Plan gefasst, und plötzlich war er wie verwandelt. Er war quietschvergnügt, voller Schwung, riss einen Witz nach dem anderen und hüpfte förmlich durch die Gegend.
Das war die Geburtsstunde des manischen Parkers. Das war eine Person, die sie nicht wiedererkannte. Er sprudelte nur so vor … vor … Daisy wusste eigentlich gar nicht genau, vor was, aber er sprudelte. Wenn sie morgens aufwachte, lag Parker bereits hellwach neben ihr, was seltsam genug war, weil er bisher niemals vor ihr wachgeworden war und vor allen Dingen niemalsso wie jetzt: Er starrte an die Decke und lächelte manchmal vor sich hin, aber nicht auf seine übliche verschmitzte Art, sondern vielmehr wie ein nicht besonders netter Mensch, der sich über einen heimlichen Scherz amüsiert, einen Scherz, der auf Kosten eines anderen gegangen war. Ein- oder zweimal war sie sogar dadurch aufgewacht, dass Parker im Bett mit den Füßen trommelte oder mit den Beinen zappelte – was so seltsam war und ihm so gar nicht ähnlich sah, dass sie kaum wusste, was sie davon halten sollte. Sie war überzeugt, dass sie ihn gut genug kannte, um aus bestimmten Zeichen zu ersehen, ob er eine Affäre gehabt oder sein ganzes Geld im Internet verspielt hatte, oder irgendetwas anderes in dieser Richtung, aber das Verhalten, das er jetzt an den Tag legte, konnte sie unmöglich entschlüsseln. Sooft
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