Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Kapital: Roman (German Edition)

Kapital: Roman (German Edition)

Titel: Kapital: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Lanchaster
Vom Netzwerk:
Mickey allein zu all diesen Treffen ging und den ganzen Müll, der dort verbreitet wurde, in vollem Umfang abbekam. Das gab ihm jedoch auch die Gelegenheit, ordentlich Dampf abzulassen. Die Abwesenheit der Kamos ermöglichte es ihm, keinen Hehl mehr daraus zu machen, wie sehr ihn diese ganze Geschichte auf die Palme brachte. Er konnte seine Wut nun viel offener zeigen und endlich klar und deutlich seine Meinung sagen.
    »Was glauben Sie denn verdammt noch mal, wer Sie sind?«, fragte er den ranghöchsten der vier Vorstandsmitglieder der Versicherungsgesellschaft, die bei der letzten Besprechung zugegen gewesen waren. Der mächtigste von ihnen war auch gleichzeitig der dünnste, ein Phänomen, das in Firmen derzeit sehr weit verbreitetzu sein schien. Neben ihm saßen zwei pummelige Managertypen der mittleren Rangstufe, Tweedledee und Tweedledum. Der eine von ihnen war für den ganzen medizinischen Hokuspokus verantwortlich, der andere für das Verscheißern auf juristischer Ebene, und bei dem vierten handelte es sich um irgendeinen Untergebenen, der, wenn man einmal zusammenzählte, was er bisher zu diesen Treffen beigetragen hatte, auch genauso gut taubstumm hätte sein können. »Was zum Teufel glauben Sie denn eigentlich, was Sie hier tun? Glauben Sie, Freddy Kamo sei irgend so ein schwarzer Bananenfresser, der sich zurück in den Busch verpissen sollte und der auch noch dankbar dafür sein darf, dass er wenigstens noch ein gesundes Knie übrig hat? Glauben Sie das allen Ernstes? Glauben Sie denn, er sei irgend so’n bedauernswerter Loser, der zu dämlich ist, um zu wissen, dass er mit Ihnen einen gültigen, rechtskräftigen Vertrag abgeschlossen hat?«
    »Ich finde, Sie werden beleidigend«, sagte der Obermacker und erhob sich halb von seinem Stuhl.
    »Das freut mich. Und jetzt setzen Sie sich verdammt noch mal hin und hören mir zu, falls Sie nicht morgen früh in der Daily Mail nachlesen wollen, dass Sie sich geweigert haben, Ihren Vertrag einzuhalten. Wenn Sie sich auch nur einen Zentimeter von Ihrem Stuhl wegbewegen, dann ist das für mich das Zeichen, dass diese Verhandlungen nicht mehr länger ernsthaft und in gutem Willen geführt werden. Und ich muss Ihnen sagen, dass mir Ihre sogenannte Ernsthaftigkeit mit jeder Sekunde armseliger und jämmerlicher vorkommt. Gibt es irgendetwas an dem Begriff ›rechtlich bindend‹, was Sie nicht verstehen?« Mickey griff sich eine der Mappen mit den Arztberichten und wedelte damit in der Luft herum. »Wenn man diesen Fachjargon mal in eine Sprache übersetzt, die auch alle anderen begreifen können, dann steht hier: ›Sein Knie ist im Arsch‹. Was gibt es daran nicht zu verstehen? Wie deutlich muss es für Sie denn noch werden? Sein Knie ist im Arsch, es gibt einen rechtskräftigen Vertrag, und jetzt müssen Sie VERDAMMT NOCHMAL ENDLICH ZAHLEN.«
    Mickey fühlte sich besser. Er wusste, dass sein Wutausbruch keinerlei Wirkung haben würde, aber vielleicht sah das mit der Drohung, an die Öffentlichkeit zu gehen, ja anders aus. Die Verhandlungen waren zwar durch eine Vertraulichkeitsklausel geschützt, aber falls die Versicherung ein nachweislich unzumutbares Verhalten an den Tag legte, würde ihm dies das Recht geben, die Sache zu öffentlich zu machen. Hinter den Kulissen waren sie mit Sicherheit bereits damit beschäftigt, an den letzten Details der Abfindung zu feilen, zu deren Zahlung sie sich schließlich bereit erklären würden. Diese Abfindung würde jedoch die Klausel mit sich bringen, dass Freddy nie wieder Fußball spielen durfte. Man würde ihm das Geld nur dann auszahlen, wenn er sich für immer vom Fußballgeschäft zurückzog. Dahinter stand folgender Gedanke: Er durfte nicht später womöglich wieder fürs Spielen bezahlt werden, wenn er jetzt mit einer riesigen Geldsumme dafür entschädigt wurde, dass er eben nicht mehr in der Lage war zu spielen. Mickey hatte dies Patrick gegenüber schon einmal erwähnt. Der schien das zwar verstanden zu haben, aber so ganz sicher war sich Mickey da nicht, und er wollte auf der Sache nicht herumreiten. Jeder, der ihn gut kannte, hätte wohl laut darüber gelacht, dass es Mickey widerstreben könnte, auf etwas herumzureiten, aber um ehrlich zu sein, wollte er auf keinen Fall gönnerhaft und bevormundend auf Patrick wirken. Der war ja schließlich nicht dumm, und er würde schon verstehen, was das bedeutete: kein Fußball mehr für Freddy. Nie wieder. Er würde nicht dafür bezahlt werden, dass er das tat, was er

Weitere Kostenlose Bücher