Kapital: Roman (German Edition)
Malheur in seinem Unterhöschen passiert, kaum zehn Minuten nachdem seine Mutter gegangen war, und Arabella hatte sich nicht überwinden können, ihm den Hintern abzuwischen. Als Polly also nach zwei Stunden vom Friseur zurückkehrte, stank der kleine Toby zum Himmel. Arabella sagte: »Oh, mein Gott, das ist gerade eben erst passiert«, aber Polly würde natürlich, wenn sie erst einmal das Beweismaterial vor Augen hatte, genügend Anlass zu der Vermutung haben, dass das gelogen war. Polly hatte Arabellas nächste Textnachricht ignoriert, und Arabella hatte schon gedacht, dass sie die Sache vermasselt hatte. Aber zwei Wochen später hatte Polly dann doch angerufen und den heutigen Spielenachmittag vereinbart. Trotz all ihrer unterschiedlichen Auffassungen saßen sie eben doch im selben Boot. Arabella hatte mit ihr verabredet, dass sie Conrad abholen würde, kurz bevor sie sich auf den Weg zu Joshua machen musste.
Es kam ihr so vor, als sei das hier ihr erstes Vergnügen seit Monaten. Diese Vollzeitmuttergeschichte war eine ziemlich harte Sache.
»Mrs Yount, wie schön, Sie wieder einmal hier zu sehen«, sagte der Oberkellner, als er sich neben ihren Tisch stellte. Er nahm die Speisekarten, in die keine der beiden Frauen einen Blick geworfen hatte. »Zwei Menüs?«, fragte er. Saskia nickte, und wieder verneigte er sich und schwebte davon.
»34,50 £ für ein Sechs-Gänge-Menü«, sagte Saskia. »Das ist doch praktisch geschenkt.«
93
Patrick war an einem Punkt angekommen, wo er es einfach nicht mehr ertragen konnte, an irgendwelchen Besprechungen teilzunehmen, bei denen es um Freddys Zukunft ging. Freddys Verletzung, Freddys Prognose, Freddys Versicherungsanspruch, Freddys Zukunft – das war alles ein und dasselbe. Hätte er im Voraus gewusst, dass sich bei einem dieser Treffen endlich etwas entscheiden würde, dann wäre das eine andere Sache gewesen, er hätte die Zähne zusammengebissen und die Sache irgendwie durchgezogen. Aber dazu kam es nie. Die Rechtsanwälte der Versicherung waren bei allen Zusammenkünften anwesend, schoben jegliche Entscheidung auf die lange Bank, wichen allen Fragen aus und brachten sogar die anderen Anwälte zur Weißglut, die eigentlich an ein solches Verhalten gewöhnt sein müssten.
Das Ergebnis war, dass Patrick Mickey darum bat, an seiner und Freddys Statt zu diesen Besprechungen zu gehen. Er hatte in der Zwischenzeit vollstes Vertrauen zu ihm gefasst. Und zwar deshalb, weil er sehen konnte, dass Mickey wegen dieser ganzen Vorkommnisse ehrlich aufgebracht war. Er konnte sehen, dass Mickey sich genauso elend fühlte wie er selbst, und es wurde ihm dadurch klar, wie die Dinge in Wirklichkeit lagen: Ganz unabhängig davon, wie Mickeys Verhältnis zu den Kamos angefangen hatte – dass er Freddy damals als eine Investition des Clubs betrachtet hatte, einen Spieler, den man ausbeuten und aus dem man das Maximum an Kapital schlagen konnte –, war er nun an einem ganz anderen Punkt angelangt. Er hatte Freddy zutiefst ins Herz geschlossen. Patrick hatte endlich jemanden, zu dem er vollkommen offen und ehrlich sein konnte, in allem, was mit seinem Sohn zu tun hatte. Und als Folge davon war etwas absolut Seltsames geschehen: Patrick und Mickey waren mehr oder weniger Freundegeworden. Sie konnten zwar nicht vollkommen ungezwungen miteinander umgehen und würden das wohl auch nie schaffen, aber wann immer es um Freddy ging, waren sie absolut offen und ehrlich. Ihre Beziehung hatte das, was eine Freundschaft ausmachte: dass man sich innerhalb gewisser Grenzen Freiheiten nehmen konnte.
»Ich möchte dich um einen Gefallen bitten«, sagte Patrick. Es war Sonntagabend. Die beiden Männer saßen unten im Wohnzimmer und schauten ein Spiel in der Primera División: Barcelona gegen Mallorca. Freddy war oben in dem Zimmer mit den Computerspielen. Sie fanden es alle drei schmerzlich, ein Fußballspiel zu schauen, hörten jedoch aus Prinzip nicht damit auf und auch aus Angst, weil sie befürchteten, dass sie, wenn sie diese Gewohnheit erst einmal aufgegeben hatten, nie wieder dahin zurückkehren konnten. »Ich wollte dich fragen, ob du Freddy in Zukunft bei diesen Besprechungen allein vertreten kannst. Für mich sind sie einfach zu schwer zu ertragen. Ich kann nicht mehr hingehen. Es sei denn, es gibt wirklich etwas Neues.«
Mickey verstand sofort, um was er hier gebeten wurde und was das alles mit einschloss.
»Natürlich mache ich das, Patrick. Es wäre mir eine Ehre.«
Und so kam es, dass
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