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Kaputt in El Paso

Kaputt in El Paso

Titel: Kaputt in El Paso Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rick DeMarinis , Frank Nowatzki , Angelika Müller
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einen Mischkonzern, ist zuständig dafür, dass Deals nicht mit WTO-Vorgaben in Konflikt geraten. Das lässt ihm wenig Zeit für Familienangelegenheiten, doch selbst wenn er sie hätte, käme er wahrscheinlich nur im äußersten Notfall nach Hause. Er ist nicht abgehoben, er lebt nur in einer größeren, nach logischen Gesichtspunkten strukturierten und wesentlich komplizierteren Welt.
    Er wirkte verdrossen, als er die Kontrolle passierte. Über die Köpfe der Menge hinweg winkte ich ihm zu, doch er brauchte einen Moment, bis er mich erkannte. Zehn Jahre hatte ich Zack jetzt nicht mehr gesehen. Knapp unter einsachtzig, wirkte er massiger, als ich ihn in Erinnerung hatte – ein Nebeneffekt des Wohlstands. Sein borstiges, schwarzes Haar war streng nach hinten gekämmt und seine Kleidung der Flugreise angemessen – Khakihosen, Pullover, Sandalen.
    »Verdammte Flugzeuge«, sagte er. »Vierzehn Stunden war ich jetzt in der Luft. Die Eingeweide verknoten sich regelrecht, wenn man so lange sitzt. Wie geht es Sam?«
    »Ich glaube nicht, dass er es schaffen wird«, sagte ich.
    Er stellte sein Bordcase ab und wir gaben uns die Hand. Sein Händedruck war fest und drückte Selbstvertrauen aus. »Und wie geht es dir, großer Bruder? Du siehst angezählt aus.«
    »Ich komm schon über die Runden«, erwiderte ich.
    Er wusste, dass ich ihm auswich, aber hakte nicht nach. Auf dem Weg zum Parkplatz unterhielten wir uns angeregt – über das Leben in San Francisco, das Leben in Europa, das Leben im Allgemeinen. Er kam mir gesprächiger vor als früher. Das bringt der Erfolg in der großen, weiten Welt eben mit sich, dachte ich mir. Auf dem Weg vom Flughafen in die Stadt erzählte er mir von zwei Koreanern, einem Mann und einer Frau, die ihn in Brüssel für einen Landsmann gehalten und auf Koreanisch angesprochen hatten. Zack spricht fünf Sprachen, aber kein Koreanisch. Er hatte auf Spanisch geantwortet. Ein Reflex. Hier, an der Grenze, ist man es gewöhnt, von Leuten auf Spanisch angesprochen zu werden. Automatisch ruft man seine Sprachkenntnisse ab und antwortet so gut man eben kann. Die Koreaner hatten ihn völlig überrascht und Zack war umgehend in den Habitus des Grenzstädters verfallen. »¿Mande?«, hatte er gefragt. Sie hatten daraufhin in ihrer Touristenbroschüre auf ein ganzseitiges Hochglanzfoto der Bronzefigur des Männeken Pis gezeigt, der in den Brunnen an der Rue de l’Etuve pinkelt. »No valedón esa transa«, hatte Zack gemeint, um ihnen zu erklären, dass sich eine Besichtigung nicht lohne. Angesichts seiner kryptischen Antwort war beiden vor Erstaunen der Unterkiefer heruntergeklappt.
    In diesem Stil ging es eine Weile weiter, dann verfiel er in Schweigen. Ich war neugierig, was ihn betraf, und nutzte die Gelegenheit zu einer direkten Frage. »Was machst du eigentlich, Zack, wenn du so von Land zu Land jettest?«
    »Um es in dürren Worten auszudrücken, ich suche nach Lücken in der Handelsgesetzgebung, erstelle dann ICPs – Internal Compliance Programs –, um meinen Auftraggebern gegenüber den Behörden einen Vorsprung zu verschaffen. Meine Auftraggeber sind in ihrer Struktur multinational. Es geht darum, Waren von A nach B zu schaffen, ohne dabei eine Flut hemmender Beschränkungen auszulösen, die auf internationale Handelsbarrieren zurückzuführen sind.«
    »Danke, dass du es so einfach ausgedrückt hast«, sagte ich.
    Ihm entging nicht, dass ich verärgert war. »Die fachlichen Details sind ziemlich fade, Uri. Die Juristensprache im internationalen Recht ist genauso trocken wie die im nationalen. Salopp ausgedrückt kann man sagen, ich helfe den Reichen noch reicher zu werden.«
    Das erinnerte mich an Dale Rooneys Drohung. Ich war verärgert genug, um kein Blatt vor den Mund zu nehmen. »Was verdienst du so, Zack? Bist du reich?«
    Er lachte. »Reich ist ein relativer Begriff, der einer Qualifizierung bedarf. Ich verdiene einen Haufen Geld, der Wert meiner Papiere liegt im siebenstelligen Bereich und ich investiere weiter, aber bin ich deshalb reich? Auf der Skala der Welt der Superreichen rangiere ich ganz unten, da bin ich nur ein Wasserträger. Die Reichen bleiben, wo sie sind, sie müssen keine Langstreckenflüge zum Arsch der Welt, nach Turkistan oder sonst wohin buchen, je nach Lust und Laune alter Männer in Nadelstreifen und mit Verdauungsstörungen.«
    Der Zeitpunkt war vermutlich ungünstig, aber angesichts dessen, was ich zu sagen hatte, wäre jeder Zeitpunkt ungünstig gewesen. »Ich

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