Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Kaputt in El Paso

Kaputt in El Paso

Titel: Kaputt in El Paso Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rick DeMarinis , Frank Nowatzki , Angelika Müller
Vom Netzwerk:
findet?«
    Die Schnüfflerin ignorierte Moses auf ganzer Linie. »Benzol!«, schrie sie, »Benzol für Jesus!« Sie war groß und sah aus, als wäre sie schwanger. Ihr steifes weißes Haar schien mit einer Kettensäge geschnitten und in einem Mixer gestylt worden zu sein. Ihr Gesicht sah fast normal aus, nur die Augen waren tot. Um ihren Hals hing ein Kruzifix so groß wie ein Hammer. »Ihr Idioten, wendet euch doch nicht ab von Jesus!«, rief sie. »Ich trage die Wiedergeburt des Sohn Gottes in mir! Ich spreche zu ihm und er spricht zu mir. Seinetwegen muss ich mir keine Nadeln in den Arm rammen oder die Schwänze von Touristen lutschen so wie ihr Freaks für euer H.«
    »Bei dir gab’s wohl ’nen Supergau«, blaffte Moses zurück. »Wird Zeit für ’ne Sanierung, wird Zeit für Dr. White. Zeig Courage und geh mal richtig ab. Junk regiert, während Kleister nur schmiert. Sprühfarbe frisst dich von innen auf, mir doch egal, da scheiß ich drauf.«
    »Als ob Junkies richtig scheißen könnten!«, konterte sie. »Die krepieren an Verstopfung, weil die Scheiße hart ist wie Beton.«
    »Ach, fick dich«, sagte Moses, des Spiels jetzt überdrüssig und mit null Enthusiasmus für seine vorübergehende Drogen-Ökumene. Mit einem Male wirkte er zutiefst verstört, als begreife er nicht, was er hier verloren hatte.
    »Jetzt schnappen wir ihn«, sagte Jesaja. Sein glänzender Hals schwoll vor Entrüstung an, Adrenalin weitete seine Augen. Das ganz normale Familienleben war ein Glücksumstand in Jesajas Dasein gewesen. Ohne die dort vorherrschende gegenseitige Kontrolle hätte er ein Loch in die Welt gerissen und es mit Blut und Knochen derer gefüllt, die ihm dumm gekommen wären.
    »Warten wir lieber, bis die sich hier verzogen haben«, sagte ich. »Sonst sind wir in deren Augen noch verantwortlich für das vorzeitige Ende dieser Freak-Show.« Ich wollte verhindern, dass Jesaja einen Vorwand fand, jemandem den Schädel einzuschlagen. Es hätte sein Leben ruiniert und ich wäre schuld gewesen.
    Fakt war, dass mir Zweifel kamen, was das Vorhaben anbelangte. Vielleicht war ich auf dem völlig falschen Dampfer. Das hier war Moses’ Welt, hier war er zu Hause. Es war eine Welt für sich. Eine Welt, die sich auf sich selbst verstand, die wusste, was notwendig war und wie man es beschaffte. Ein abgeschlossenes Universum, das sich selbst genug war. Vermutlich waren die Bewohner dieses Universums genauso unglücklich, genauso neurotisch oder selbstmordgefährdet wie jeder andere auch. Sie unterlagen der Selbsttäuschung und gerieten mit Lichtgeschwindigkeit in Vergessenheit. Doch traf das nicht auf jeden zu? Auf seine eigene Weise?
    Es kam mir in den Sinn, dass mein Vorhaben, Moses nach La Xanadu zu bringen, Ausdruck meines Wahns war. Ich sagte mir, ich täte es für Maggie, obwohl ich wusste, dass ich es auch für mich tat: In den Augen meiner Familie stünde ich als guter Mensch da, wenn nicht sogar als Held. Uriah, der Retter der Verlorenen – der moralische Alchemist, der Abschaum in saubere, angepasste Republikaner verwandelt. Wir hatten Sams Wahnvorstellung einem Ende gemacht, indem wir ihn zu einem operativen Eingriff gedrängt hatten. Jetzt waren wir auf dem besten Wege, Moses auf Linie zu bringen. Mir war klar, dass meine Gedanken in die falsche Richtung gingen, nicht mit dem gesunden Menschenverstand zu vereinbaren waren, aber mit dem gesunden Menschenverstand hatte ich schon immer auf Kriegsfuß gestanden.
    »Ich werde nicht länger hier rumstehen und mir diesen Mist anhören, Uriah«, sagte Jesaja. »Wir schnappen ihn uns jetzt.«
    Jesaja drängte sich an den abgerissenen Typen vorbei und schlang seine Arme um Moses. Es sah nach einem Wiedersehen zweier Freunde aus, die sich aus den Augen verloren hatten. Anfänglich war beifälliges Gemurmel zu hören, doch als Jesaja Moses hochhob und forttrug wie eine volle Supermarkttüte, kam Unmut auf. »Das ist die verdammte Gedankenpolizei!«, machte sich einer lautstark bemerkbar.
    Jesaja ging mit ausgreifendem Schritt. Sprangen die Leute nicht beiseite, liefen sie Gefahr, niedergetrampelt zu werden. Dann flogen Flaschen und Steine, die allesamt an seinem breiten Rücken abprallten. Mich erwischte eine leere Spraydose am Hals und ein Stein am Knie.
    Moses wehrte sich nicht, die Wendung der Ereignisse machte ihn handlungsunfähig. Ich versuchte, mit Jesaja Schritt zu halten, und als ich auf gleicher Höhe war, durchsuchte ich Moses’ Jackentaschen. Ich fand seine Beute, ein

Weitere Kostenlose Bücher