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Kaputt in El Paso

Kaputt in El Paso

Titel: Kaputt in El Paso Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rick DeMarinis , Frank Nowatzki , Angelika Müller
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New Mexicos um die Ohren schlage. Rosette, seine Frau, habe ihn förmlich angefleht, Junktown und das Gesindel, mit dem Mose sich abgebe, zu meiden. Selbst Jesajas Umgang mit mir sei ihr ein Dorn im Auge. Nach ihrer Meinung umgebe den etwas Unchristliches, dessen einzige Beschäftigung im Leben in der heidnisch anmutenden Verherrlichung seines Körpers bestehe. Für Rosette sei ich eine Statue aus Fleisch, bestenfalls geeignet, um in einem Beinhaus zu landen. Zwar hatte ich protestiert, als Jesaja mir das erzählt hatte, konnte es aber mangels schlagender Argumente nicht entkräften, zumal ich mich von hehrem Engagement verabschiedet hatte, namentlich von meinem Magister, der als Einziges beweisen könnte, dass ich ein Ziel im Leben habe. »Ich werde meinen Abschluss nachholen, Jesaja«, sagte ich. »Aber sicher doch, und ich werde bei den Cowboys in der Defense spielen«, hatte er daraufhin gekontert. Die unvermeidliche Wahrheit über Familienmitglieder, heißen sie nun Rockefeller oder Walkinghorse, lautet: Untereinander sind sie schonungslose Richter.
    Die letzte Hürde auf der Fahrt war eine Serpentine mit sechs Prozent Steigung. Ich ließ den Ford im zweiten Gang hinaufklettern und behielt dabei die Temperaturanzeige im Auge. Genau in dem Moment, als der Zeiger den roten Bereich berührte, ging die Steigung in eine vom Mondlicht erhellte Hochebene über. Ich musste noch weitere fünf Minuten fahren, bis in der Wildnis erste Anzeichen menschlicher Einmischung sichtbar wurden. In regelmäßigen Abständen tauchten mit Reflektoren versehene Meilensteine am Straßenrand auf. Ich zählte sieben, dann hatte ich den Torbogen erreicht, der die Einfahrt zu La Xanadu markierte. Am höchsten Punkt des Torbogens hing ein handgemaltes Schild:
    Erfreut Euch der Hoffnung
    Begegnet der Drangsal mit Geduld
    Die Anlage befand sich am Ende der Hochebene, dahinter nur noch dichter Wald aus Ponderosa Pinien, kein Zaun. Es handelte sich um eine Art Verwaltungsgebäude im Stil postmoderner Architektur, rechts und links davon Reihen mit zweigeschossigen Baracken. Durch den geschwungenen Dachfirst und die gewölbten, roten Dachziegel erinnerte das Verwaltungsgebäude an ein Gürteltier ohne Kopf. Erhellt wurde die parkähnliche Umgebung von Natriumdampflampen auf langen Stahlpfeilern. Die Lampen tauchten alles in pfirsichgelbes Licht. Bäume, die man auf dieser Hochebene nicht erwartet hätte – Mimose, Ginkgo, russische Olive –, standen wie helle Staubwedel in dieser penibel gepflegten Grünanlage.
    Ich stieg aus und streckte mich, dann nahm ich Moses das Klebeband ab. Ich zog ihn aus dem Wagen. Gedanken an einen möglichen Fluchtversuch kamen bei mir nicht auf. Wohin, bitte, sollte er auch flüchten?
    »Dein neues Zuhause«, sagte ich.
    Er hatte nichts dazu zu sagen. Das Licht der Natriumdampflampen zauberte einen ungesunden orangefarbenen Schimmer auf seine Haut. Mit kläglichem Gesichtsausdruck starrte er auf die Gebäude, als erwarte ihn dort seine Hinrichtung durch den Strang.
    »Sie werden sich richtig um dich kümmern, Mose«, sagte ich. »Du kommst nicht auf Turkey. Sie entwöhnen dich nach und nach, Schritt für Schritt.« Ich versuchte, überzeugend zu klingen, obwohl ich keine Ahnung hatte, wie man hier mit Junkies verfuhr. Ich wusste nur, dass ihre Erfolgsquote die beste im Westen war.
    Am Telefon hatte man mir gesagt, dass La Xanadu rund um die Uhr geöffnet sei. Über das Finanzielle hatten wir nicht gesprochen. La Xanadu gehörte zu den Orten, wo man nur dann nach dem Preis fragt, wenn man ihn sich nicht leisten kann. Mit Zacks fünftausend auf dem Konto stand ich diesem Thema mit Gelassenheit gegenüber.
    Ich brachte Moses zur Glastür des Verwaltungsgebäudes. Drinnen sah es aus wie in einer Jagdhütte – freiliegende Deckenbalken, Holzpaneele, rustikale Möbel aus lackierten Pinienstämmen, die Polster mit rotem Leder bezogen, das mit Polsternägeln aus Messing an den Holzrahmen montiert war. In luftiger Höhe an der Wand befestigt, starrten mich die Köpfe eines Elchs, einiger Bergziegen und Pumas mit ihren Glasaugen an. An einem Deckenbalken hing eine ausgestopfte Eule mit zum Beuteflug ausgebreiteten Flügeln.
    Eine große, knochige Frau erhob sich hinter einem Schreibtisch aus Mahagoni und streckte mir die Hand entgegen. Wir schüttelten uns die Hände. Sie hatte große Hände mit ausgeprägten Knöcheln und ihr Händedruck war kräftig, warm und sollte wohl Zuversicht ausstrahlen. »Mr. Walkinghorse?«,

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