Kaputt in El Paso
mit Klebeband umwickeltes Päckchen Heroin. Ich warf es in die Menge und schrie: »China-White-Dienstag!« Im Nu hatten die Junkies ihr Interesse an Moses verloren und jeder war sich selbst der Nächste, als es um den Stoff ging. Auch die Schnüffler wandten sich wieder ihren Tüten zu und die Säufer ihrem Muskateller mit Schuss.
»Du Hurensohn!«, schrie Moses. »Der Stoff hat mich zwölfeinhalb Scheine gekostet! Was habt ihr Arschlöcher eigentlich vor?«
»Frag ihn«, sagte Jesaja. »Uriah hat große Pläne mit dir.«
Moses zappelte, versuchte, um sich zu treten, doch Jesaja marschierte unbeirrt weiter. »Uri, du Scheißkerl! Halt dich verdammt noch mal aus meinem Leben raus!«
»Es ist nicht nur dein Leben, Idiot«, sagte ich.
»Seit wann denn das?«
»Seit Sam und Maggie deinen wertlosen Arsch aufgenommen haben.«
»Was bist du? Ein Priester der Amok läuft? Was bildest du dir ein, du Anabolikafresser. Was gibt dir das Recht, über mein Leben zu urteilen?«
Ich dachte darüber nach. Aber ich musste nicht lange überlegen. »Maggies Kummer.«
Fünfunddreißig
Als wir wieder in Junktown waren, luden wir Moses in meinen Wagen um. Ich verabschiedete mich von Jesaja, fuhr zum Baron Arms und holte die Mossberg aus meinem Apartment. Ich verstaute sie im Kofferraum. Gut möglich, dass ich die Nacht über wegblieb, also wollte ich verhindern, dass die Waffe den Nachtschattengewächsen, die das Gebäude im Dunkeln durchstreiften, in die Hände fiel. Ein experimentierfreudiger Schnüffler könnte auf den Gedanken verfallen, Farbverdünner direkt aus dem Lauf schnüffeln zu wollen, und sich dabei versehentlich den Kopf wegblasen.
Als ich mich wieder hinters Steuer setzte, war Moses gerade dabei, an dem Klebeband zu nagen, das seine Handgelenke fesselte. Allerdings waren seine Zähne viel zu stumpf, der Kiefer war viel zu schwach, um dem fest haftenden Gewebe beizukommen. Er probierte es eine Weile, hatte aber nicht genügend Durchhaltevermögen, um die Sache zu Ende zu bringen. Für mich keine Überraschung. Ein Seufzer des Selbstmitleids entrang sich seiner Kehle.
»Dir kommt das alles wie ein einziges Desaster vor, Mose. Aber du weißt doch, was man über Medaillen und ihre Kehrseite sagt, oder? Und auf der Kehrseite der Desaster-Medaille steht Chance. Mit anderen Worten ausgedrückt, wo viel Schatten ist, ist auch viel Licht.«
»Diese Hure von einer Mutter hätte dich lieber zu Hundefutter verarbeiten sollen, anstatt dich bei einem armen Arschloch vor die Tür zu legen«, erwiderte er.
»In meinen Augen bist du ein aussichtsloser Fall, aber Maggie glaubt, dass in dir noch ein Funke Anstand steckt. Wir werden sehen, ob dieser Funk reicht, ein Lagerfeuer zu entfachen. Wer weiß, welche Möglichkeiten sich da eröffnen. Bereits in einem Jahr könntest du ein braver Steuerzahler sein.«
»Fick dich«, sagte er.
»Ich persönlich denke, dass du den gesellschaftlichen Stellenwert einer Tüte voller Schneckenscheiße hast, aber ich gebe zu, ich bin befangen. Objektivität ist was für Leute mit Edelmut.«
Er antwortete mir nicht mehr und so herrschte die nächsten Stunden Schweigen zwischen uns. Ich hatte den Freeway verlassen und fuhr jetzt nach Westen, in die Ausläufer des Black Range, der zu den Mimbres Mountains gehört. Es war bereits stockfinster und ab und an sah ich kleinere Tiere am Straßenrand, deren Augen das Licht meiner Scheinwerfer reflektierten. Die Straße war schmal und kurvenreich. Plötzlich rang Moses nach Luft und fing an zu husten.
»Ich muss kotzen«, sagte er.
»Aber nicht in meinem Auto. Halt noch einen Moment durch.«
Er fing an zu würgen. Ich hielt auf dem Seitenstreifen der schmalen Straße. Wir waren im Hochland, westlich von Hillsboro, New Mexico. Ich stieg aus, öffnete die Beifahrertür und zog ihn aus dem Wagen. Seine Füße waren an den Knöcheln mit Klebeband umwickelt, also bestand keine Gefahr, dass er weglaufen konnte. Er sank auf den Schotter, öffnete den Mund und brachte etwas heraus, was aussah wie ein silbrig glänzender Faden. Ich verfrachtete Moses zurück in den Sitz und wir setzten unsere wenig komfortable Reise nach La Xanadu fort.
Eigentlich hatte ich darauf gebaut, dass Jesaja bei dem gesamten Unternehmen dabei sein werde, aber er war mehr als bedient gewesen. Er habe seinen Part erfüllt, hatte er gesagt, und unter keinen Umständen wolle er seine Familie beunruhigen, nur weil er sich mit seinen zwei lebensuntüchtigen Brüdern die Nacht in der Wildnis
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