Karambolage
Leopold ins Gesicht. »Ihre üble Art, sich wichtig zu machen, ist uns bereits bekannt. Gehen Sie nur wieder schön fleißig an Ihre Arbeit. Sollten wir etwas von Ihnen brauchen, werden wir Sie holen. Bis dahin Abmarsch!«
Nur widerwillig wich Leopold der polizeilichen Gewalt. Bollek war ihm sozusagen ein rotes Tuch im Auge. Schon beim letzten Fall hatte der Inspektor nur wenig Fingerspitzengefühl bewiesen und einen Stammgast des Cafés unschuldig eine Nacht im Gefängnis verbringen lassen. Man musste auch dieses Mal aufpassen, dass er in seinem Übereifer nicht zu weit ging. Aber ohne seinen Freund und früheren Schulkollegen, Oberinspektor Juricek, konnte Leopold derzeit nicht viel tun.
Als er das Kaffeehaus betrat, gafften die Leute noch immer durch die Fenster. Anscheinend unberührt vom Geschehen ringsumher wurde dagegen am ersten Brett nach wie vor ehrgeizig Billard gespielt und an den hinteren Tischen tarockiert. Die improvisierte Kerzenbeleuchtung verlieh dem Ganzen einen gespenstischen Anstrich.
»Leopold, ein neuer Gast«, hörte er seine Chefin ungeduldig rufen. Tatsächlich nahm Leopold an der Theke neben Korber die Umrisse eines großen, starken Mannes wahr, dessen breitkrempiger Hut ihm bekannt vorkam.
»Servus, Leopold«, hörte er da auch schon die vertraute Stimme seines Freundes, des Oberinspektors Richard Juricek. »Komm, sei so lieb und erzähl mir mal, was da draußen los war und warum du gleich bei uns in der Mordkommission angerufen hast. Wer ist der Mann? Und weshalb soll er ermordet worden sein?«
»Servus, Richard«, sagte Leopold einigermaßen erstaunt. »Du bist gar nicht draußen, bei den anderen, am Tatort?«
»Nein, nein, die sollen ruhig einstweilen die grobe Arbeit ohne mich machen. Bring mir erst einmal ein Mineralwasser gegen den Durst. Und erzähl, Leopold, um Gottes willen, erzähl.«
Leopold nahm sich einen Anlauf. »Also, wie du vielleicht gehört oder auf den Plakaten gelesen hast, hatten wir heute die Endausscheidung in einem Billardturnier. Der Tote draußen – er heißt Georg Fellner – hat gewonnen und danach noch mit seinen Freunden gefeiert. Dann sind das Gewitter und der Stromausfall gekommen. Da ist er gegangen. Kurz danach kam es zu dem Unfall – das heißt, ich glaube nicht, dass es ein Unfall war.«
»Und was führt dich zu dieser Erkenntnis?«
»Richard, der Fellner war betrunken, aber er konnte noch gerade gehen. Und dann stürzt er verkehrt vor ein Auto, das Ganze in ziemlichem Schwung. Das ist doch nicht normal. Da hat jemand nachgeholfen.«
Juricek überlegte, drehte das Glas mit seinem Mineralwasser hin und her. »Schauen wir einmal, was der Unfalllenker sagt oder ob die Spurensicherung etwas herausfindet. Oder gibt es sonst noch Zeugen?«
»Ich glaube nicht. Natürlich war es auch stockdunkel.«
»Und es hat geregnet, und es war kein Mensch auf der Straße. Das könnte natürlich jemand ausgenutzt haben. Aber das ist alles sehr dünn, Leopold. Was wäre zum Beispiel das Motiv? Warum sollte jemand bei diesem miserablen Wetter Fellner auflauern, um ihn dann vor ein Auto zu stoßen?«
Leopold zuckte die Achseln. »Ich weiß auch nicht, aber es ist die einzig logische Erklärung. Da waren etwa heute diese unschönen Szenen mit Sykora, Fellners Finalgegner. Die beiden waren immer große Rivalen, und nach einem Streit beim Spiel haben sie überhaupt nichts mehr miteinander geredet. Ausgerechnet heute, beim Finale, treffen sie wieder aufeinander. Fellner hat – wie es so seine Art ist – nicht ganz fair gespielt, seinen Gegner ein bisschen psychologisch fertiggemacht. Da ist es dann zum Eklat gekommen. Sykora hat Fellner beschimpft und bedroht.«
»Dann ist also dieser Sykora dein Hauptverdächtiger?«, meinte Juricek nachdenklich.
»Ich weiß es eben nicht, Richard. Sykora ist schnell in der Höhe und schimpft, stößt vielleicht ein paar Drohungen aus. Aber ich traue ihm einen Mord offen gestanden nicht zu.«
»Du traust deinen Gästen nie einen Mord zu, das ist ja der Fehler. Dabei wird’s wohl irgendeiner von ihnen gewesen sein, wenn’s ein Mord war.«
Nun meldete sich Korber zu Wort. »Da war auch noch Fellners Schwager, Max Fürst. Sie müssen nämlich wissen, Herr Oberinspektor, dass Fellners Neffe Oskar heute auch beim Turnier zugesehen hat. Der Junge geht bei uns in die Schule, und seine Leistungen und die Mitarbeit im Unterricht sind eher bescheiden. Dafür war er ständig mit Fellner unterwegs. Heute hat er auch fleißig mit den
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