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Karambolage

Karambolage

Titel: Karambolage Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hermann Bauer
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einem behaglichen Glanz.
    Die verbliebenen Gäste nahmen die neue Situation großteils entspannt und mit Belustigung hin. An den Billardbrettern waren noch immer einige Hobbyspieler tätig, die, animiert durch das Turnier, ihre Partie trotz des Schummerlichtes mit großem Ehrgeiz fortsetzten. Die legendäre Tarockrunde erging sich in Scherzen, wie wichtig es gerade bei solch diffusen Verhältnissen sei, den ›Neuner‹ vom ›Elfer‹ zu unterscheiden [10] . An den Fenstern und in den Logen plauderte und schwatzte man nach den kurzen Schrecksekunden nun wieder ziemlich fleißig, wobei sich das rötliche Licht der in der Aufregung angezündeten Zigaretten schön gegen die Dunkelheit abhob. An der Theke rückten die Leute enger zusammen und schienen wieder richtigen Durst zu kriegen.
    Nach Hause zog es bei diesem Unwetter und der allgemeinen Finsternis jedenfalls niemanden. Nur der einsam beim ersten Fenstertisch sitzende Fellner rappelte sich auf und erweckte den Anschein, gehen zu wollen. »Da geht mir heute kein Licht mehr auf«, stammelte er, sichtlich vom Alkohol beeinträchtigt. »Den Pokal hole ich dann morgen ab, aber schön sauber machen bitte!« Und kaum hatte er gesprochen, war er auch schon auf dem Weg zur Tür.
    »Taxi? Schirm?«, rief Leopold ihm fragend hinterher, aber Fellner schien nicht zu hören. Nicht immer ganz gerade, aber zielstrebig setzte er seine Schritte in die kühle, nasse, blitzende und donnernde Frühlingsnacht.
    »Ein höchst unangenehmer Zeitgenosse«, bemerkte eine robuste, große Gestalt mit Geheimratsecken neben Korber. »Mich wundert nur, dass er in seinem Leben noch nie so richtig eine abkassiert hat. Wirkt zuerst lustig und gemütlich, aber auf die Dauer kann er nur stänkern. Na ja, offenbar haben auch solche Leute einen Schutzengel.«
    »Glauben Sie wirklich, er meint das Ganze so?«, fragte Korber mehr oder minder unbeteiligt.
    »Oh ja, er meint es so«, sagte der große Mann. »Glauben Sie mir das, mein Freund. Man mag es für Lausbubenstreiche oder übertriebene Scherze halten, aber da steckt immer eine gehörige Portion Absicht dahinter. Unser lieber Fellner freut sich nämlich dann am meisten, wenn sich die anderen ärgern und vor Wut zu schäumen beginnen. Ich weiß das, ich kenne den Kerl von früher.«
    Damit leerte er sein Glas, schob es irgendwo in den dämmrigen Raum, stützte seinen Arm sinnierend auf die Theke und raunte Korber mit gedämpfter Stimme zu: »Ich war auch einmal im Billardklub ›Alt-Floridsdorf‹, wo er immer noch spielt. Fragen Sie einmal die Leute dort, seine sogenannten Freunde. Fragen Sie!«
    Korber roch fauligen Atem und eine Weinfahne. Er wollte eigentlich nichts mehr über diesen Fellner hören, aber offensichtlich hatte er das Pech, neben einem besonders mitteilungsbedürftigen Zeitgenossen zu stehen. Man kennt das ja: Man will seine Ruhe haben und wird angequatscht. Mitleidlos nutzt das Gegenüber die eigene In-sich-Gekehrtheit. Man konnte in dieser Situation nur gehen oder den ganzen Schwall über sich ergehen lassen. Aber als Korber nach draußen sah, entschloss er sich zu bleiben, was auch immer sein Nachbar noch auf dem Herzen haben mochte.
    Dann, nicht übertrieben laut, aber doch deutlich vernehmbar, das Geräusch: erst ein lautes Quietschen, dann ein dumpfer Ton, wie ein Aufprall.
    Die Dame am zweiten Fenster erhob sich und starrte in die Nacht. Sie schüttelte ihren Kopf. »Ich glaube, da ist was passiert«, sagte sie. »Aber ich kann nichts sehen.«
    Allgemeine Unruhe. Leopold erfasste als Erster die Situation und stürzte hinaus ins Freie. Er sah den Wagen mit den aufgedrehten Scheinwerfern, der mitten auf der Straße stand und den jungen Mann mit schütterem, lichtem Haar in der Autotür. Dann erkannte er auch das Bündel Mensch, das vor dem Auto lag. Es war Fellner.
    »Was ist passiert?«, fragte er.
    »Ich kann nichts dafür. Er ist regelrecht vor mein Auto gefallen«, sagte der Mann.
    »Einfach so?«
    »Ich weiß nicht. Ich bin hier die Straße entlanggefahren, gar nicht schnell aufgrund der äußeren Verhältnisse, da ist dieser Mann plötzlich nach hinten auf die Straße gestolpert, direkt in mein Auto.«
    Leopold beugte sich über den Körper, in dessen Schädel eine Wunde klaffte. Er fühlte kurz den Puls und öffnete ein Auge. Kein Zweifel, der Mann lebte nicht mehr.
    »Er ist tot«, stellte er trocken fest.
    »Mein Gott! Wir müssen die Polizei verständigen.«
    »Warten Sie«, versuchte Leopold den schockierten Fahrer

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