Karambolage
französischer Besatzungssoldat ist wegen seiner Mutter dageblieben. Er war gestern auch hier. Sie erkennen ihn immer daran, dass er krampfhaft versucht, ein paar Brocken Französisch in seine Rede einfließen zu lassen, dabei kann er’s kaum, der arme Teufel. Das heißt, ein armer Teufel ist er ja gerade nicht, der hat’s faustdick hinter den Ohren. Dem Fellner ist er jedenfalls zuletzt ganz schön auf der Nase herumgetanzt.« Sprach’s und trank den Kaffee wieder in einem Zug aus, nicht ohne vorher die Flüssigkeit in seiner Nase etwas weiter nach oben zu befördern.
Der Hobbyfranzose, fuhr es Leopold durch den Kopf, während er sich, durch eine kurze Andeutung des Gastes ermuntert, anschickte, einen weiteren Kaffee mit Weinbrand zuzubereiten. Klar, dass auch der etwas mit der Sache zu tun haben musste.
»Hat ihm ganz einfach die Frau ausgespannt. L’amour, verstehen Sie? Aber Fellner war selbst schuld mit seiner leichtlebigen Art. Offenbar steht die Olga auf alles Französische.« Ein unmotiviertes, asthmatisches Lachen leitete eine Niesorgie ein. Leopold konnte mit einem rechtzeitig gezückten Papiertaschentuch gerade noch das Ärgste verhindern. »Verzeihen Sie«, räusperte sich der Unbekannte auf eine Art, die erneut ein öffentliches Ausspeien befürchten ließ, »verzeihen Sie! Ist mir nur gerade so in den Sinn gekommen, der kleine Scherz. Wo waren wir? Ach ja, bei Olga. Also sehen Sie, die Olga braucht Geld. Die Pension geht immer schlechter, Zahlungen sind ausständig, und so weiter. Fellner wollte nichts mehr zuschießen, als er das von dem Haberer [15] erfuhr … nicht lachen, Geld hatte Fellner genug, trotz seines aufwendigen Lebenswandels … und angenommen, Lacroix hat Fellner umgebracht: Dann erbt Olga das Geld, das sie braucht, um schuldenfrei zu werden, und er kassiert seinen Teil. Ist doch nicht so weit hergeholt, oder?«
Schluck, Weinbrand, umrühren. Kurze Pause. Schnell noch mal den Rotz hochgezogen. Ein Schluck, noch ein Schluck, diesmal sehr geräuschvoll, und wieder war die Tasse leer. Leopold beutelte es ab. Aber wer Wichtiges erfahren wollte, der musste eben leiden.
»Sie können mir vieles einreden, aber der Sykora … Nie und nimmer … Die Klubpartie hat ihn aufs Glatteis geführt.« Immer zusammenhangloser wurde des Unbekannten Rede. »Stecken alle mit Lacroix unter einer Decke … Beherrscht die ganze Mischpoche, glauben Sie mir … Wo ist eigentlich der nette Lehrer von gestern?«
Leopold wurde ungeduldig. Viel würde aus dem ungepflegten Gast nicht mehr herauszubringen sein. »Warum gehen Sie denn nicht zur Polizei und erzählen ihr das alles?«, fragte er. »Dann wäre Sykora aus dem Schneider und Lacroix, den Sie offensichtlich gar nicht mögen, käme in Schwierigkeiten.«
»Polizei? Ja sind Sie denn wahnsinnig?«, entrüstete sich sein Gegenüber. »Nein, nein, ausgeschlossen. Die haben schon einmal versucht, mir den Unterschied zwischen Eigentum und Fremdbesitz zu erklären. Hat mich zwei Jahre gekostet. Um die Brüder mache ich einen weiten Bogen, so wie gestern. Wenn ich eine Polizeiuniform sehe, wechsle ich normalerweise die Straßenseite, da werde ich denen doch keinen Besuch abstatten.« Schwerfällig kramte er Geld aus der Hosentasche und knallte es auf die Theke. »Das hier ist ehrlich verdient«, sagte er. »Good bye mein Freund!«
Leopold wunderte sich noch, wer dieser seltsame Kerl war und ob er ihn schon einmal irgendwo gesehen hatte, da betrat sozusagen mit dem Windhauch, den der Fremde beim Hinausgehen hinterließ, Maria Hinterleitner mit strahlend weißem Lächeln das Lokal. Täuschte sich Leopold, oder wurde es tatsächlich in diesem Augenblick heller im Kaffeehaus und erhielt die von Rauch und Kaffeeduft geschwängerte Luft eine neue Frische? Jedenfalls zerschmolz er so richtig hinter der Theke. Es gab Augenblicke, da meinte er, seinen Freund Thomas Korber jenseits aller Belehrungen, die er sonst für ihn und seine schwärmerischen Liebesaffären parat hatte, zu verstehen. So wie diesen.
»Grüß Gott, Herr … Leopold, nicht wahr?«, kam es heiter aus Marias Mund. »Ist vielleicht mein Freund, Herr Professor Korber da? Ich hatte nämlich ein paar Wege, war heute nicht in der Schule und hätte ihn gerne noch gesehen.«
»Bedaure«, sagte Leopold mit belegter Stimme und bedauerte vor allem, dass er so verlegen war. »Der Herr Professor haben heute noch nicht die Ehre gehabt, uns einen Besuch abzustatten, und ich fürchte beinahe, Sie werden vergeblich
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