Karambolage
auf ihn warten.«
»Schade«, meinte Maria, »wirklich schade. Aber andererseits wollte ich ohnehin einen Kaffee trinken, also bringen Sie mir bitte eine Melange mit einem schönen Sahnehäubchen.«
Während Leopold den Kaffee aus der Maschine herunterrinnen ließ, sah er, wie Maria Hinterleitner ihr Handy aus der Tasche nahm und einen Anruf tätigte. Das gefiel ihm gar nicht. Wenn sie Thomas Korber anrief und ihm schön tat, war Gefahr im Verzug. Denn wenn Thomas sich heute Abend im Billardklub ›Alt-Floridsdorf‹ umhören und unter Umständen diesem Lacroix oder jemand anders auf die Schliche kommen sollte, konnte niemand Sentimentalitäten brauchen, die ihn von seiner Aufgabe ablenkten oder gar dazu brachten, sich die Sache noch einmal zu überlegen. Leider neigte Thomas zu solchen Schwächen, und Maria …
Leopold meinte, ein hastiges »Schön, dass du Zeit hast! Bis bald!« zu hören, als er mit der Melange kam. Das war’s dann auch schon wieder. Das Handy wanderte zurück in die Tasche. Und Leopold stand ebenso ratlos wie neugierig da. Dass einen die Frauen in solchen Situationen auch immerfort anlächeln mussten.
»Sagen Sie, was ist dieser Professor Korber eigentlich für ein Mensch?«, fragte Maria, während sie sich eine Zigarette anzündete. »Sie kennen ihn sicher sehr gut, das ist ja sein Stammlokal. Auf mich macht er irgendwie den Eindruck, als ob er ein bisschen einsam wäre.«
»Na ja, im Grunde sind viele Menschen einsam und kommen zu uns«, antwortete Leopold ausweichend. »Sonst würden wir ja kein Geschäft machen. Sie suchen eine Unterhaltung, ein zweites Zuhause, und das finden sie im Kaffeehaus. Der Thomas ist schon in Ordnung. Freilich, alleinstehend ist er, und manchmal merkt man das.«
»Ich mache mir Vorwürfe«, gestand Maria. »Vielleicht hätte ich gestern noch ein bisschen dableiben sollen. Eigentlich wollte Thomas ja mit mir fortgehen. Aber Ingrid – das war die andere Dame – ist eine gute Freundin von mir, eine ehemalige Schülerin aus Hartberg, die mich manchmal dringend braucht. Die Sache ist ein wenig kompliziert.«
»Wie kompliziert?«, entfuhr es Leopold. »Entschuldigen Sie, wenn ich frage, aber es geht um meinen Freund, und der ist leider manchmal auch kompliziert.«
Maria lächelte diesmal nur kurz. »Wirklich? Ich glaube, Ingrid hat ihm gestern Abend ohnedies schon ein wenig über ihre unglückliche Kindheit erzählt. Ihre Mutter hat nie verkraftet, dass sie von Ingrids Vater sitzen gelassen worden ist, und hat sich erhängt. Das arme Kind hat sie dann gefunden, den Strick um den Hals – mit acht Jahren. Sie können sich vorstellen, dass sie das nie ganz verkraftet hat, trotz psychologischer Behandlung und allem Drumherum. Ich bin so eine Art Vertrauensperson, besonders seit wir uns hier in Wien wieder getroffen haben. Aber ich werde sicher bald einmal mit Thomas ausgehen, das verspreche ich Ihnen, vielleicht schon heute oder morgen.«
»Lieber morgen«, entfuhr es Leopold.
»Meinen Sie? Na, wir werden ja sehen.« Jetzt lächelte sie wieder so, dass Leopold überzeugt war, niemand auf der ganzen Welt könnte ihr je wegen irgendeiner Sache böse sein. »Hat er denn heute schon etwas vor?«, fragte sie schelmisch.
»Ich weiß nicht. Aber wenn er nicht im Kaffeehaus auftaucht, ist das kein gutes Zeichen. Da ist er müde und abgespannt und will eigentlich nur in Ruhe gelassen werden …« Leopold drückte sich sichtlich verlegen herum. Hatte Maria Thomas nun angerufen oder nicht?
»Denken Sie das wirklich?«
Was sollte er sagen? Jeden Augenblick, so fürchtete Leopold, konnte sich die Türe öffnen und sein Freund Thomas eintreten. Dann würde Maria ihn umgarnen, in ihr Netz einfangen und dazu verleiten, den Abend mit ihr zu verbringen. Und Thomas’ Einsatz im Billardklub ›Alt-Floridsdorf‹? Den konnte er sich dann vermutlich in die Haare schmieren. »Meistens ist es halt so«, bemerkte er schroff und begab sich hinter die Theke.
Dann öffnete sich die Türe tatsächlich, aber kein verliebter Thomas Korber kam herein, sondern das ein wenig zerzauste Rotkäppchen vom Vortag. Sie begrüßte Maria mit einer herzlichen Umarmung und einem Kuss, dass Leopold gleich ganz warm ums Herz wurde. Mit Freuden brachte er noch eine Melange. Maria hatte sich vorhin am Telefon mit ihrer Freundin Ingrid verabredet. Er hatte sich unnötig Sorgen gemacht.
Andererseits: Wieso steckten die beiden Damen schon wieder beieinander? Wurde Maria von Ingrid wieder dringend
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