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Karambolage

Karambolage

Titel: Karambolage Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hermann Bauer
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›Alt-Floridsdorf‹ getauft, um unseren Sinn fürs Historische zu betonen. Eine Reihe von Veranstaltungen sollte das Billardspiel ergänzen, Vortragsabende, Darbietungen Floridsdorfer Künstler, gemütliche Kaffeenachmittage zum Austausch von Erfahrungen …«
    »Wozu es aber niemals gekommen ist, wie wir alle wissen«, unterbrach ihn Lacroix unwirsch. »Können wir die Partie jetzt zu Ende spielen? Ich habe heute Abend noch einen wichtigen Termin.«
    Neuling hörte nicht. Er war gerade voll in Fahrt. »Es kam zunächst zu einigen Treffen im kleinen Kreis, bei denen zumindest ein kleiner Gedankenaustausch stattfand«, sagte er. Plötzlich bekam sein Gesicht einen verbitterten Ausdruck. »Bis dann Fellner auftauchte …«
    »Fellner war gar nicht von Anfang an dabei?«, fragte Korber neugierig.
    »Sie haben ja gehört, dass nur mehr unser Kurt und Viktor Papp, den Sie noch nicht kennen, aus der Gründerzeit übrig geblieben sind«, brachte sich Mario Mitterhofer in das Gespräch ein, nachdem er eine weitere Runde Marillenbrand bestellt hatte. »Fellner und ich arbeiteten damals noch im Gastgewerbe. Wir lernten uns in der Steiermark kennen, am Stubenbergsee, wo wir beide auf Saison waren. Dann, als es mich Steirer nach Wien verschlug, trafen wir uns wieder. Eigentlich ist ja Fellner schuld, dass ich hier bei diesem Klub bin. Er hat so lange auf mich eingeredet, bis ich mir die Sache einmal ansah. Tja, und heute bin ich froh darüber. In diesem Sinne: Trinken wir doch noch einmal auf den so unerwartet Verblichenen. Prost!«
    Schweigend leerten die vier ihre Gläser. Mitterhofer schaute noch einmal nachdenklich in die Runde, dann sagte er: »Er soll ja umgebracht worden sein. Seltsam. Wer kann so etwas getan haben? Ich meine, wir wissen alle, dass er mit mehreren Leuten Meinungsverschiedenheiten hatte und manchmal ein ziemlich lästiger Patron sein konnte, und dann noch die Geschichten mit den Weibern …« Er erhielt einen vorwurfsvollen Blick von Neuling. »Aber wegen solcher Sachen bringt man jemanden doch nicht um«, schloss er hastig seine Rede ab.
    Weiterhin Schweigen. Lacroix klopfte ungeduldig mit seinen Fingern auf die Umrandung des Billardbrettes. »Wir wissen, dass er ein Aas war, Mario. Vielleicht hat er den Tod nicht verdient. Trotzdem lebt er nicht mehr. Wer ihn umgebracht haben könnte, darüber sollte vielleicht jeder für sich nachdenken«, sagte er dann. »Mais j’ai rien de temps, meine Herren, ich habe keine Zeit, verdammt noch einmal.«
    Neuling schien das Geschehen um ihn herum nicht zu registrieren. Oder verstellte er sich nur? Seelenruhig stellte er sein Glas ab, lächelte in die Runde und bemerkte: »Ich denke, wenn wir die Partie rasch zu Ende bringen, könnte ich sogar noch ein wenig mit Herrn Korber üben. Sind die Herren einverstanden?«
    »Bon«, grummelte Lacroix, stellte sich ans Brett, stieß hastig und nervös und verfehlte sein Ziel um einiges. Er hatte offensichtlich die Freude am Spiel verloren. Am Ende der Partie landete er an letzter Stelle, sogar noch hinter Korber, dem in der Folge einige gute Bälle gelangen.
    Das alles schien für ihn keine Bedeutung mehr zu haben. Er summte ein leises »Au revoir, Messieurs« vor sich hin und machte sich, ohne einen der anderen eines Blickes zu würdigen, auf und davon.

     
    *

     
    »Geduld und Ruhe zeichnen einen guten Billardspieler aus«, dozierte Neuling. »Geduld und Ruhe, etwas, das immer weniger Menschen besitzen in unserer hektischen Zeit. Mit ein Grund, warum die Jungen es nur mehr selten zu etwas bringen, aber schauen Sie uns Alte an. Ganz nervös ist er geworden, unser Kollege Lacroix, als ob er etwas versäumen würde. Jetzt kann er am Sonntag beim Heurigen zahlen.«
    Nach Lacroix hatte auch Mitterhofer eilig das Klublokal verlassen. Korber stand mit Neuling im gleißenden Licht der Neonröhre, die über dem Billardbrett hing und sich in Neulings altmodischer Brille spiegelte. Er trank den Schaum von seinem Glas Bier, das er noch rasch bestellt hatte, ehe das Burgstüberl seine Pforten geschlossen hatte.
    »Jeder Stoß, mag er Ihnen auch noch so einfach erscheinen, muss mit voller Konzentration ausgeführt werden«, belehrte Neuling Korber weiter. »Es ist erforderlich, die Bälle immer präzise anzuspielen. Machen Sie dabei ja nicht den Fehler der meisten Hobbyspieler: Gehen Sie sparsam mit dem Effet um. Je mehr Effet Sie verwenden, desto weniger können Sie die nachfolgende Stellung berechnen. Sehen Sie, hier zum Beispiel.«

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