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Karambolage

Karambolage

Titel: Karambolage Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hermann Bauer
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diesen Worten breitete Leopold den Zettel genüsslich auf dem Tisch aus und deutete demonstrativ auf seine eilig gemachten Notizen. Der wieder phlegmatisch gewordene Korber sah müde hin. Er las:

     
        - untersetzter Herr mit hohem Haaransatz und
    hellem Sakko mit schmächtigem, bebrilltem Bur-
    schen
        - Frau und Mann, beide um die 50, dunkle Leder-
    jacke und Stiefel
        - zwei große junge Burschen in Jacke und T-Shirt,
    vielleicht 17, 18, vielleicht auch jünger
        - Frau um die 30 mit jüngerer Begleiterin, Kopf-
    bedeckung, leichte Jacke
        - Herr, glattes, fettiges Haar, Brille, Bauch (Alter??);
    auffällig: kurze Hose, Sandalen; später ähnlicher
    Herr dazu, ohne Brille, lange Hose, Turnschuhe
        - Frau Mitte 20, starkes Übergewicht, Piercing
    (Nase)
        - Frau um die 50, dunkler Mantel, unauffällig, un-
    ruhig, Mann sehr spät dazu.

     
    »Und damit hast du jetzt den Täter?«, fragte Korber.
    »Eben nicht«, antwortete Leopold. »Und da ist etwas, das mich stutzig macht. Siehst du es?«
    Korber las sich den Zettel noch einmal durch, so gut er konnte, dann schob er ihn mit einem Achselzucken zu Leopold zurück. »Beim besten Willen nicht«, sagte er.
    »Die ganzen Beschreibungen sind ja relativ genau, aber alles ist grau in grau gehalten, da kann man sich nur schwer etwas darunter vorstellen. Es ist wie an einem trüben Regentag, wenn du hinausgehst und die Dinge nicht siehst, wie sie wirklich sind. Mir fehlt ein wichtiges Element.«
    »Die Farben?«, meinte Korber gelangweilt.
    »Du hast es erfasst. Ich habe die Dinge aber genau so notiert, wie ich sie am Telefon gehört habe. Warum wohl habe ich von dieser netten Dame, die sich sicher um Details bemüht hat, keine Farben mitgeliefert bekommen?«

    »Weil sie sich keine gemerkt hat?«
    »Unsinn, das glaube ich nicht.«
    »Dann muss die liebe Frau farbenblind gewesen sein«, redete Korber gegen die eigene Müdigkeit an.
    Leopold sprang in die Höhe. »Das ist es. Jawohl, das ist es«, rief er mit einer Begeisterung aus, deren Grund Korber verborgen blieb. »Ich kenne mich zwar nicht so genau in der Medizin aus, aber soviel ich mir gemerkt habe, gibt es bei der Farbenblindheit die unterschiedlichsten Beeinträchtigungen. Am häufigsten beeinflusst sie die Unterscheidung zwischen Rot und Grün, aber ich glaube, es geht bis zum stark verminderten Unterscheidungsvermögen von Farben überhaupt. Egal. Ich könnte die Beschreibungen von jemandem bekommen haben, der sich schwertut, gewisse Farben auseinanderzuhalten und für den Farben in der Folge mehr oder minder bedeutungslos geworden sind. Stimmst du mir zu?«
    »Wenn du meinst.«
    »Damit haben wir eine wichtige Information, die uns weiterhelfen wird, mein Freund. Du versprichst mir jetzt noch einmal, morgen – das heißt, heute – ganz besonders vorsichtig zu sein, und legst dich jetzt schlafen. Ich werde dich schön langsam verlassen.«
    Korber verstand in erster Linie Bahnhof. Zeitweise tat er sich schwer, Leopolds Gedankengängen zu folgen. Er fragte aber nicht weiter nach, sondern blickte auf seine Uhr. Es war weit nach Mitternacht. »Schon?«, fragte er dennoch beharrlich wie ein kleines Kind, das sich etwas in den Kopf gesetzt hat. »Es ist doch noch genug Kaffee in der Kanne.«
    Leopold stand kurz entschlossen auf und verabschiedete sich mit einem weiteren Zitat dieses empfindsamsten aller literarischen Helden, Werther: »›Bester Freund, was ist das Herz des Menschen! Dich zu verlassen, den ich so liebe, von dem ich unzertrennlich war, und froh zu sein. Ich weiß, du verzeihst mir’s.‹«
    Die beiden Männer fielen einander in die Arme, dann machte Leopold sich auf den Weg, einerseits froh, der Lösung des Falles seiner Meinung nach ein Stück nähergekommen zu sein, andererseits in Angst und Sorge, wie sein Freund Thomas den kommenden Tag überstehen würde.



11

    Obwohl die Sonne schien und manchen Gast des Heurigenlokals ›Engelbrecht‹ dazu ermunterte, im Freien Platz zu nehmen, saßen die Mitglieder und Freunde des Billardklubs ›Alt-Floridsdorf‹ drinnen in einem nur schlecht ausgeleuchteten Extrazimmer, das ebendiese Sonne fast zur Gänze draußen ließ. Die Stimmung war so trübe wie das Licht. Nichts deutete darauf hin, dass man sich hier zusammengefunden hatte, um den Sonntag in weinseliger Laune ausklingen zu lassen.
    Gekommen waren die meisten: Kurt Neuling, Viktor Papp, Mario

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