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Kardinal vor La Rochelle

Kardinal vor La Rochelle

Titel: Kardinal vor La Rochelle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: R Merle
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sagen, der Herr Marquis hat seine eigene Schönheit.«
    »Seine sehr eigene«, sagte Nicolas, »und die will ihm auch niemand nehmen.«
    Wir lachten und sahen Madame de Bazimont an, die noch röter wurde, diesmal aber vor Glück, sich von uns allen geliebt zu fühlen.
    Bevor Monsieur de Bressac sich mit uns zu einem guten Essen setzte, ob mittags oder abends, nahm ich ihn meistens mit auf
     mein Zimmer und ließ mir von seiner Rochelaiser Gefangenschaft erzählen. Was er zu meinem großen Nutzen tat, doch auch zu
     meinem Leidwesen, denn kaum hatte er Platz genommen, zog er eine lange, irdene Pfeife hervor, stopfte sie mit Tabak, und nachdem
     er ihn angezündet hatte, paffte er mit unendlicher, mir aber unbegreiflicher Zufriedenheit vor sich hin, denn ich sah nicht
     ein, welches Vergnügen es bereiten könne, Rauch in seinen Mund einzusaugen, um ihn wieder auszustoßen. Doch was half es? Ich
     rückte meinen Lehnstuhl so weit von ihm ab, wie es die Höflichkeit erlaubte, und öffnete dem Rauch heimlich mein Fenster.
    Um das Folgende zu erklären, gestatte mir der Leser, einige Tage zurückzugreifen und zu sagen, was mit der Flotte Lord Denbighs
     geschehen war. Am elften Mai vor der Bucht von La Rochelle aufgekreuzt, verschwand sie in der Nacht vom neunzehnten auf den
     zwanzigsten Mai, wenn ich so sagen darf, auf |263| leisen Sohlen. Weder hatte sie angegriffen noch irgend etwas anderes getan, außer vor ihrem Abzug ein paar unnütze Kanonenkugeln
     abzufeuern und einen Sprengsatz gegen eine Palisade zu schießen, der, weil er zu früh gezündet wurde, die betreffende Schaluppe
     samt den armen Engländern, die sie steuerten, in die Luft jagte.
    Welche Hoffnungen und Illusionen nun die Rochelaiser hinsichtlich der englischen Hilfe genährt hatten, woher diese Illusionen
     rührten und wie ungeheuerlich ihre Enttäuschung war, als diese sich nicht erfüllten, darüber konnte Monsieur de Bressac, der
     von seinen Wächtern Tag für Tag über die Gefühle der Rochelaiser unterrichtet worden war und also mehr darüber wußte als jeder
     andere im königlichen Lager, mir etliche Lichter aufstecken. Und mit mir auch Richelieu, der mir erlaubte, ja mich sogar bat,
     ihm jede dieser Erzählungen zu wiederholen für den Fall, daß sie dem König von Nutzen sein könnten.
    Die Gefühle der Rochelaiser, pflegte Monsieur de Bressac zu betonen, könne man nur verstehen, wenn man sich klarmache, daß
     sie leidenschaftlich an die Gerechtigkeit ihrer Sache und an den Schutz des Herrn glaubten, der ihnen gewißlich beistehe und
     sie schließlich von allen Leiden mit Hilfe der Engländer befreien werde, weil diese die natürlichen Verbündeten seien, die
     der Himmel ihnen zu ihrer Erlösung schicke. »Der englische König«, sagte die Herzogin von Rohan, »ist nach Gott die einzige
     Zuflucht, die uns Rettung bietet.«
    Der starke Glaube der Rochelaiser, fuhr Monsieur de Bressac fort, und die nahezu religiöse Hoffnung, die sie auf die englische
     Unterstützung setzten, führten betrüblicherweise dazu, daß sie die Hindernisse unterschätzten, die wir in der Bucht von La
     Rochelle errichtet hatten. Er habe mit seinen Wächtern oft freundschaftlich darüber gestritten, sagte er, ohne daß sie in
     ihrer Überzeugung auch nur um Daumenbreite wankten.
    »Sogar den Deich unterschätzten sie?« fragte ich ungläubig.
    »Vor allem den Deich! Über den lachten sie ohne Ende! ›Der erste Sturm‹, sagten sie, ›hat den Deich schon eingerissen. Ihr
     werdet sehen, Herr Marquis, wie der nächste ihm den Garaus macht. Wir Rochelaiser sind Seeleute vom Vater auf den Sohn, wir
     kennen das Meer! Bei schwerem Wetter hält nichts den haushohen Brechern stand.‹
    ›Früher oder später‹, entgegnete ich ihnen, ›wird der Deich |264| sicherlich zu Bruch gehen. Aber wann? Das ist die Frage. Bevor die Engländer kommen? Dann allerdings kann die englische Flotte
     hindurch. Oder erst, wenn die Stadt das letzte Brot gegessen hat?‹
    Ihr wißt, Graf«, fuhr er fort, »daß ich es niemals wagte, vor meinen Wächtern das Wort ›Kapitulation‹ auszusprechen. Dieses
     Wort war in La Rochelle verpönt, verhaßt und gewissermaßen aus der Sprache verbannt.«
    »Aber wie antworteten Eure Wächter, wenn Ihr in diesem Sinn argumentiertet?«
    »Mit schallendem Gelächter und endloser Geringschätzung des Kardinals. ›Laßt den Richelieu ruhig spielen‹, sagten sie, ›soll
     er seine Steinchen doch in die Bucht schütten. Wir kennen unsere Bucht.

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