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Kardinal vor La Rochelle

Kardinal vor La Rochelle

Titel: Kardinal vor La Rochelle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: R Merle
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sterben. Und das ohne Nutzen für irgendwen, für England ganz sicher nicht, ihm hat seine
     politische Tollheit nichts als Ruin und Unheil gebracht. Unheilvoll war sie auch für seine Verbündeten: Wenn La Rochelle nicht
     an das Wunder der englischen Hilfe geglaubt hätte, hätte es sich schneller unterworfen und nicht durch eine grausige Hungersnot
     über vier Fünftel seiner Einwohner verloren. Trotzdem kann es sein, daß Buckinghams Andenken die Jahrhunderte glücklich überdauern
     wird, aber dann gewiß nicht als General, Admiral oder Minister, sondern als eine Art romanesker Held. Wollt Ihr einen untrüglichen
     Beweis? Als die Nachricht von seiner Ermordung nach Paris gelangte, vergossen die diabolischen Reifröcke vor Erschütterung
     Tränen über Tränen, und die Herzogin von Chevreuse fiel in eine so tiefe |310| Ohnmacht, daß es unendliche Mühen kostete, sie ins Leben zurückzurufen. Leider ist es gelungen.«
    ***
    »Bitte, Monsieur, auf ein Wort!«
    »Schöne Leserin, ich höre.«
    »Monsieur, die letzten Sätze Ihres Herrn Vaters scheinen mir eine Art Verachtung des weiblichen Geschlechts auszudrükken.«
    »Aber nicht doch, Madame, die Verachtung gilt den diabolischen Reifröcken, einer heimtückischen und mörderischen Clique, keineswegs
     jedoch Ihrem gesamten liebenswürdigen Geschlecht, dem die Edelmänner meiner Familie, wie Sie wissen, stets hohe Ehre erweisen.«
    »Danke, Monsieur, Sie beruhigen mich. Ich habe aber noch eine Frage. Wenn ich mich Ihres vorigen Bandes recht entsinne, befehligte
     Buckingham selbst die englische Expedition nach der Insel Ré. Sie scheiterte im November 1627. Die nächste, befehligt von
     Lord Denbigh – dem unfähigen Admiral –, traf am elften Mai 1628 vor La Rochelle ein und drehte am zwanzigsten Mai unverrichteterdinge
     bei. Darauf gab es eine dritte, hundertfünfzig Segel starke Expedition unter dem Befehl von Lord Lindsey, ›einem äußerst tapferen
     und erfahrenen Admiral‹, aber auch die scheiterte. Wie erklären Sie diesen erneuten Fehlschlag?«
    »Wenn Sie erlauben, Madame, sehen wir zuerst, was geschah. Kommentieren können wir es nachher.
    Am dreißigsten September, nach siebenundzwanzig Tagen erschöpfender Seefahrt, bezog die englische Flotte zwischen dem Kliff
     von Chef de Baie und dem Kliff von Coureille Position gegenüber der französischen Flotte. In der Frühe des ersten Oktober
     näherte sie sich der unseren, und man lieferte sich Kanonaden, ohne einander großen Schaden zu tun. Als am Nachmittag der
     Wind abflaute und die Manöver daher schwierig wurden, drehte die englische Flotte bei und ging außerhalb der Reichweite unserer
     Kanonen vor Anker. Lindsey, der erkannte, daß er gegen die französische Flotte nichts ausrichten konnte, wenn er nicht die
     Küstenbatterien an den Kliffen der Bucht zerstörte, beschloß, am dritten Oktober zwei große Schiffe zu ihrer |311| Bombardierung auszuschicken, eins nach Chef de Baie, eins nach Coureille. Und hier begannen die Dinge fehlzuschlagen. Lord
     Lindsey konnte die Kapitäne der betroffenen Schiffe nicht überzeugen, er begegnete ihrem unüberwindbaren Widerstand. Wozu,
     sagten sie, sollten sie so schwere Gefahren laufen, während die übrigen Geschwader im Schutz vor den französischen Kugeln
     verblieben? Mit einer so hartnäckigen Verweigerung konfrontiert, die stark nach Meuterei roch, griff Lindsey selbst mit einem
     Geschwader an, doch die Sache ging für ihn nicht gut aus. Mehrere Schiffe wurden von unseren Batterien getroffen, eins zerstört.
     Es sollte Englands Küsten nicht wiedersehen.
    Von da an wurden sämtliche Befehle, die Lindsey gab, nicht mehr befolgt. Er mochte den ungehorsamen Kapitänen noch so sehr
     mit Gefangensetzung, sogar mit dem Tode drohen, sie gaben nicht nach, und ihre Mannschaften standen einmütig hinter ihnen.
     Lindsey mußte schließlich einsehen, was das bedeutete. Die Exekution der Kapitäne hätte den Ungehorsam in eine allgemeine
     und offene Meuterei verwandelt. Lindsey handelte also mit Frankreich einen vierzehntägigen Waffenstillstand aus. Daß auch
     diese Expedition gescheitert war, wollte er noch nicht zugeben.«
    »Monsieur, was Sie da erzählen, wundert mich. Ich hatte gedacht, die englischen Seeleute wären wie Lindsey ›tapfer und erfahren‹.«
    »Das waren sie auch, Madame, aber mit Besonnenheit. Wie hätten sie diese Expedition zu ihrer Sachen machen können, nachdem
     vor Cádiz, auf der Insel Ré und auf der Heimkehr der

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