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Kardinal vor La Rochelle

Kardinal vor La Rochelle

Titel: Kardinal vor La Rochelle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: R Merle
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vorigen Expedition so viele ihrer Leute ohne jeden Nutzen für König und
     Vaterland gefallen oder ertrunken waren? Und wer war der Urheber dieser Desaster gewesen, wenn nicht des Königs böser Geist,
     der Herzog von Buckingham? Sie hatten ihn zu seinen Lebzeiten gehaßt. Sie haßten ihn tot womöglich noch mehr. ›Wenn es die
     Hölle gab und einen Teufel darin, dann war der Herzog bei ihm‹, das war ihre feste Überzeugung. Felton, für sie ein Held,
     hatte sein Leben mit seinem Dolch ausgelöscht. Aber noch immer, noch im Tod, lastete der Herzog auf ihrem Geschick! Dies war
     seine Expedition. Nicht Lindsey befehligte sie, sondern das Gespenst des Herzogs. Er war es, der so viele Engländer in den
     Tod trieb durch sinnlose, mörderische Angriffe |312| auf diese verdammte Bucht, denn die französische Flotte, die versenkten Schiffe, die Palisaden, der Deich und die Küstenbatterien
     machten sie nun einmal uneinnehmbar.
    Unerträglich und sinnlos war es auch, daß sie nach Buckinghams Willen fünftausend Soldaten an Bord hatten, völlig unnütze
     Parasiten, denn niemals würden sie an diesen Küsten landen können, die mit Forts und Schanzen gespickt waren, niemals die
     französische Armee angreifen, die viermal so stark war wie sie.
    Die Anwesenheit der Soldaten erhöhte die Erbitterung der Matrosen: Die Decks lagen voll von ihnen, sie beschmutzten sie mit
     ihrem Erbrochenen, sie aßen ihnen die Rationen weg. Ab dem fünfzehnten Oktober wurden die Vorräte knapp, und kleine englische
     Gefährte steuerten in weislichem Abstand zu Chef de Baie französische Ufer an und raubten den Dörflern zwei oder drei Rinder.
     Dahin war es mit ihnen gekommen: Das große Geschwader lebte von schäbigen Raubzügen und griff nicht an.«
    »Wenn ich Sie recht verstehe, Monsieur, waren es die englischen Matrosen und Kapitäne, die den Krieg zwischen England und
     Frankreich beendeten, und somit auch den Bruderkrieg zwischen den Rochelaisern und uns. Und das vollbrachten sie, indem sie
     den Befehlen ihres Admirals nicht gehorchten?«
    »Das ist der springende Punkt, Madame. Vom Papismus befreit, befreiten sich die Engländer auch von dem religiösen Respekt,
     der in Frankreich den Herrscher noch immer umgibt. Sie sind stolz auf ihre Institutionen und verlangen, daß der König sie
     respektiert. Wenn er sie nicht respektiert, machen sie ihm ›Vorhaltungen‹. Und wenn sie finden, daß eine königliche Expedition
     purer Unsinn ist, gehorchen sie einfach nicht.«
    »Beweisen sie damit nicht die oft verkannte Tugend des Ungehorsams?«
    »Madame, es wäre unhöflich von mir, Ihnen nach unserer Plauderei nicht das weibliche Vorrecht auf das letzte Wort zu lassen.
     Aber, Gott sei Dank, trennen wir uns ja noch nicht. Der Krieg ist zu Ende, aber der Frieden noch nicht gewonnen. Und um ihn
     zu gewinnen, werden der König und der Kardinal die großen Vorzüge unter Beweis stellen müssen, die man schon an ihnen kennt:
     Entschlossenheit und Mäßigung.«
    ***
    |313| Als ich durch Fogacer erfuhr, daß Lindsey einen vierzehntägigen Waffenstillstand ausgehandelt hatte – sicherlich hatte er
     es vom Nuntius Zorzi –, dachte ich mir gleich, daß dies eine verkappte Art war, sich unauffällig einem Friedensschluß zu nähern.
     Und weil die Nachricht ja aus einer sicheren Quelle stammte – der Nuntius wußte immer alles –, begab ich mich zum Lever des
     Königs, das, Gott sei Dank, nicht mehr in Surgères statthatte (was bekanntlich einen sehr langen Ritt bedeutet hätte), sondern
     in Laleu 1 . Dort hatte sich Ludwig unweit des Kardinals eingerichtet, als die englische Flotte im Bretonischen Pertuis aufgetaucht war.
    Zu meiner großen Betrübnis traf ich auf eine unübersehbare Menschenmenge. Gewisse hohe Herrschaften, die weder Freunde des
     Königs noch des Kardinals waren, die unseren Waffen sogar die Niederlage gewünscht hatten, waren, wahrscheinlich von London
     informiert, eilends aus Paris aufgebrochen und mit verhängten Zügeln von Glockenturm zu Glockenturm galoppiert, um dem Sieg
     noch rechtzeitig zu Hilfe zu kommen. Und da drängten sich nun diese Tapfersten der Tapferen: Der Herzog von Orléans 2 , der Herzog von Bellegarde , der Herzog von Chevreuse, und begleitet von so vielen Herren ihrer jeweiligen Suiten, daß ich auf den ersten Blick erkannte,
     ich würde niemals zu Ludwig vordringen können.
    Eben ließ ich alle Hoffnung fahren, als zu meiner Rechten der stämmige Hauptmann Du Hallier mit seinem dicken

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