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Kardinal vor La Rochelle

Kardinal vor La Rochelle

Titel: Kardinal vor La Rochelle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: R Merle
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mir den traurigen Mut zu diesem Schritt gab. Das Frauenzimmerchen plapperte
     zuviel, und ich mußte gewärtig sein, daß sie, auch gegen mein Verbot, sich nicht eben kurz fassen würde, unsere Liebelei beim
     ganzen Gesinde herumzuerzählen. Die Geschichte käme Madame de Bazimont zu Ohren, mithin Madame de Brézolles, und sie würde
     mir diesen Verrat nie und nimmer verzeihen.
    Um kein zweites Mal in Versuchung zu geraten, entschloß ich mich, Madame de Bazimont am nächsten Morgen zu bitten, mir bis
     zu Lucs Genesung einen anderen Diener zu geben. Was ich dann auch tat, ohne daß ich mich jedoch über Perrette beklagte, vielmehr
     lobte ich sie sehr, sagte aber, es erscheine mir doch ein wenig unschicklich, mich von einem Weib entkleiden zu lassen. Madame
     de Bazimont lobte meine Skrupel, faßte eine Meinung von mir, die ich nicht verdiente, und gab mir François, einen dicken Jungen
     vom Land. Er war so ungeschickt mit seinen groben Fingern, wie Perrette geschickt gewesen war und noch viel geschickter gewesen
     wäre, hätte ich sie machen lassen.
    Weil ich nun hierin so tugendhaft war, mochte ich es auf einem anderen Gebiet nicht auch noch sein. Ich schrieb für den |134| König keinen Bericht über den Deich, schließlich hatte er es nicht verlangt. Außerdem entging ich dadurch der Gefahr, den
     Kardinal zu verärgern, wenn ich ihn in seinen exakten Darlegungen nachzuahmen versuchte.
    Nach all diesen Entschlüssen bemühte ich mich einzuschlafen, was mir nicht leichtfiel. Meine gute Tat lag mir auf der Seele,
     und ich war mir sicher, wenn in den kommenden Jahren der Name oder das frische Gesicht Perrettes aus meiner Erinnerung auftauchen
     würde, so würde es wohl von dem reißenden Bedauern begleitet sein, das eine verpaßte Gelegenheit ein Leben lang hinterläßt.
    ***
    Kaum erschien ich anderntags zum Lever des Königs, entsandte Seine Majestät einen berittenen Boten nach Pont de Pierre, den
     Kardinal um sein Kommen zu ersuchen. Dann setzte er sich zum Frühstück, das aus einer großen Schale Milch und einem Dutzend,
     jawohl einem Dutzend, großer Butterschnitten bestand. Doktor Héroard, der recht hinfällig wirkte und sich kaum auf den Beinen
     hielt, sah wortlos zu, wie Ludwig diese gargantueske Mahlzeit verschlang. Wäre mein Vater an Héroards Stelle gewesen, hätte
     er der königlichen Gefräßigkeit Einhalt zu gebieten versucht, weil der arme Ludwig so oft und schwer an Unverträglichkeiten
     der Gedärme litt. Alle seine bisherigen Krankheiten rührten von dieser Leibschwäche her, und nach Ansicht meines Vaters hätte
     maßvolleres Essen sein Befinden verbessert und ihm vielleicht sogar ein längeres Leben beschert.
    Der Kardinal kam. Ziemlich rauh kürzte der König seine Reverenzen und Begrüßungen ab und zog sich mit Richelieu und mir in
     ein benachbartes kleines Kabinett zurück, in dessen Kamin ein helles Feuer lohte. Welch eine Wohltat, dieses Feuer, denn es
     war Mitte Januar und das Wetter frostiger denn je. Nicht, daß es schneite, aber der Wind war scharf und eisig, und es regnete
     fast ununterbrochen, so daß das Feldlager, wie gesagt, ein einförmiger düsterer Sumpf unter einem einförmig düsteren Himmel
     war. Nur selten einmal riß er ein wenig auf, die Sonne hindurchzulassen und die Herzen zu erwärmen, wenn auch nicht die Glieder,
     dazu waren ihre Strahlen zu schwach.
    Ich hatte erwartet, daß der König mir gleich das Wort erteilen würde, schließlich hatte er den Kardinal extra holen lassen,
     um |135| mich anzuhören. Dem war nicht so. Die Augen starr zu Boden gerichtet, schien er ganz in Verdruß und Melancholie versunken.
    Es war für niemanden ein Geheimnis: Er liebte weder Aytré noch das Aunis noch die Küste. Es sei »eine üble Gegend«, sagte
     er, man lebe in ewigem Dreck, das Klima sei gräßlich, die Luft feucht und verdorben, er könne das alles nicht mehr ertragen,
     es töte ihn.
    Was er nicht sagte, was aber ebenso zutraf, war, daß er sich nach Paris sehnte, nach seinem Louvre mit den schönen Sälen,
     den Aussichten auf die Seine, und daß er auch seine Gitarre, sein Zeichnen, sein Komponieren vermißte, vor allem aber seine
     Jagden, seine wunderbaren Jagden, in den Wäldern von Fontainebleau, von Rambouillet oder im Gehege Le Pecq, wo es so viele
     Hirsche wie Hasen gab.
    Vor Unzufriedenheit wurde er bitter, hatte an allem zu kritteln, rüffelte seine Marschälle für jedes kleine Versehen, tadelte
     seine Entourage und zeigte sogar dem

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