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Kardinal vor La Rochelle

Kardinal vor La Rochelle

Titel: Kardinal vor La Rochelle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: R Merle
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sagte Sanceaux, »lasse ich Euch nicht ein. Geheimsachen an meiner Nase vorbei, das kommt
     überhaupt nicht in Frage.«
    »Es handelt sich um keine Geheimsachen, Hauptmann, sondern um eine persönliche Botschaft des Königs an seine Cousine. Der
     Bürgermeister und der Stadtrat haben Euch sicherlich unterrichtet, daß sie mir Zutritt gewähren.«
    »Wir sind im Krieg«, sagte Sanceaux. »Ich befehlige das Fort de Tasdon und öffne das Tor nur, wenn ich weiß, um was es geht.«
    »Hauptmann«, sagte ich mit Engelsgeduld, »laßt es mich wiederholen: Ich bin hier im Auftrag des Königs, um mit Erlaubnis |158| des Bürgermeisters und des Stadtrats der Frau Herzogin von Rohan eine mündliche Botschaft zu übermitteln.«
    In dem Moment kam jemand und sprach leise zu Sanceaux. Dieser verschwand, und der andere machte mir wortlos ein Zeichen, daß
     man mich sogleich einlassen werde.
    »Dieser Sanceaux«, flüsterte Nicolas mir zu, »ist wohl die hugenottische Moral in Person!«
    »Das hat nichts mit hugenottisch zu tun«, sagte ich. »Solche Wichtigtuer gibt es leider überall. Das sitzt auf hohem Roß und
     plustert sich wegen nichts und wieder nichts und richtet vor Übereifer nur Schaden an.«
    Ich hatte kaum geendet, als mit majestätischer Langsamkeit das Tor des Fort de Tasdon aufging, und sobald wir
intra muros
gelangten, wurden unsere Pferde von etlichen Gendarmen umringt, doch ohne jede Feindseligkeit. Andere hielten die Rochelaiser
     auf Abstand, die um Neuigkeiten gelaufen kamen, vielleicht voller Hoffnung auf einen nahen Frieden. Einer darunter, offenbar
     ein wohlhabender Bürger, grüßte mich sehr höflich.
    »Monsieur«, sagte er, »kommt Ihr, um mit uns zu verhandeln?«
    Auch ich zog würdevoll meinen Hut.
    »Nein, Monsieur, dazu bin ich nicht ermächtigt. Ich bin hier, um der Frau Herzogin von Rohan einen Besuch zu machen und ihr
     eine Botschaft des Königs zu überbringen.«
    Aus der stetig anwachsenden Menge ertönte eine Stimme, die weniger wohlerzogen klang.
    »Monsieur«, schrie dieser Mann, »wenn Ihr der Frau Herzogin auch nur ein Haar krümmt, dann reißen wir Euch in Stücke!«
    Die unhöfliche Drohung rief bei dem Gros der Rochelaiser lebhafte Proteste hervor. Dennoch wollte ich sie nicht unbeantwortet
     lassen.
    »Monsieur«, sagte ich mit vernehmlicher Stimme, indem ich mich in den Steigbügeln aufrichtete, »ich bin nicht hier, um irgend
     jemandem Leid zuzufügen. Und schon gar nicht der Frau Herzogin von Rohan, der meine Hochachtung und Verehrung ob ihres Mutes
     gelten.«
    Zustimmendes Gemurmel ging durch die Menge, und ein bärtiger Alter trat auf mich zu.
    |159| »Herr Graf«, sagte er sanftmütig, »ich bin Sekretär des Stadtrats. Ich war es, der den Hauptmann Sanceaux überzeugt hat, Euch
     einzulassen. Wenn Ihr erlaubt, führe ich Euch jetzt zum Haus der Frau Herzogin von Rohan.«
    Damit schritt er mir voraus, Nicolas ritt hinter mir her, die Gendarmen und die Menge folgten.
    Unterwegs verfehlte ich nicht, mich aufmerksam umzublicken. Die Stadt, die ich zum erstenmal sah, war schön und reich erbaut.
     Doch immer wieder zeigten sich Einschläge der Brandkugeln, mit denen wir die Stadt seit Beginn der Belagerung grausam bombardiert
     hatten, Dächer waren eingestürzt, ganze Häuser ausgebrannt. Und was die Rochelaiser anging, so fand ich bestätigt, was Pottieux
     dem Kardinal berichtet hatte: Besonders den Ärmeren stand der Hunger ins Gesicht geschrieben, trotzdem wirkten auch sie mutig
     und entschlossen.
    Vor einem sehr schönen Haus 1 hielt der Sekretär und sagte, wir seien angelangt. Ich saß ab, und damit die Leute ringsum es hörten, erhob ich die Stimme.
    »Monsieur«, sagte ich, »es wäre unziemlich, vor einer so hohen Dame bewaffnet zu erscheinen. Hättet Ihr die Güte, meinen Degen
     und den meines Junkers während meines Besuches zu hüten?«
    Offen gestanden, veranlaßte mich weniger die Schicklichkeit, die Waffen abzulegen, als vielmehr der Wunsch, die Rochelaiser
     zu beruhigen, denn sie liebten ihre Herzogin so sehr, daß sie sonst in Sorge um sie geraten wären.
    Den Grund für die große Liebe, die sie ihr entgegenbrachten, kannte ich gut. Sie wußten ihr unendlichen Dank, daß sie in La
     Rochelle geblieben war und ihre Gefahren und Entbehrungen teilte, anstatt sich auf ein Schloß im Languedoc zurückzuziehen,
     wo sie in Ruhe und Frieden hätte leben können, wie es ihrem hohen Alter entsprach. Endlich erschien der Majordomus und kam
     majestätisch die

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