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Kardinal vor La Rochelle

Kardinal vor La Rochelle

Titel: Kardinal vor La Rochelle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: R Merle
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Abgang hinterließ er einige Zeilen, die besagten, wenn er gefaßt
     werde, wolle er lieber von den Königlichen gehenkt werden als in La Rochelle verhungern.
    In dieser traurigen Notlage, in der auch ich mich befinde und weil Herr von Clérac all mein Denken erfüllt, seit ich ihn gesehen,
     träume ich davon, daß Herr von Clérac versucht, mich meinem gegenwärtigen Elend zu entreißen, indem er mir anbietet, ihn zu
     heiraten. Ich habe gewagt, mich hiermit der Frau Herzogin von Rohan anzuvertrauen, und sie sagte mir in ihrer Güte, da ich
     Katholikin sei, dünke es sie wenig gerecht, mich den unerhörten Leiden unterworfen zu sehen, welche die Protestanten durch
     diese Belagerung für ihren Glauben erdulden. Gütigst fügte sie hinzu, wenn Herr von Clérac sich an sie wenden und sie schriftlich
     um meine Hand bitten wollte, würde sie an meiner Eltern Statt handeln und sie ihm gewähren, weil dies auch mein Wunsch sei.
     Darauf versprach sie mir, sich beim Stadtrat dafür zu verwenden, daß ich die Mauern von La Rochelle verlassen dürfe, sofern
     die Königlichen ihrerseits einwilligen würden, mich aufzunehmen.
    Darf ich hier hinzusetzen, Herr Graf, daß ich zwar eine entfernte Verwandte der Herzogin von Rohan, darum aber keine arme
     Verwandte bin: Seit dem Tod meiner Eltern, deren einzige Erbin ich bin, besitze ich als unanfechtbares Eigentum eine jährliche
     Rente von dreißigtausend Livres. Ich würde |197| Herrn von Clérac also nicht zur Last fallen, ebenso gedenke ich mich dem edlen Metier seiner Wahl nicht zu widersetzen.
    Ich wünsche von ganzem Herzen, daß Euch dieses einfältige Vorgehen, zu welchem sowohl meine Gefühle für Herrn von Clérac wie
     auch meine gegenwärtige Lage mich veranlassen, nicht skandalös erscheine und daß Ihr, Herr Graf, in mir Eure sehr gehorsame
     und sehr ergebene Dienerin seht.
    Henriette de Foliange«
     
    Ich schob das Schreiben des Fräuleins in meinen Wamsärmel und gesellte mich wieder zu unserer Teerunde, verblieb aber in einer
     Nachdenklichkeit, die Madame de Bazimont nicht entging und ihre Neugier derart reizte, daß sie nicht wenig geneigt war, ihre
     guten Manieren zu vergessen. Noch zauderte sie. Als ihr mein Schweigen jedoch unerträglich wurde und sie gleichzeitig sah,
     wie der Tee in unseren Tassen abnahm, so daß der Moment nah und näher rückte, einander Gute Nacht zu sagen, überschritt sie
     schließlich ihren Rubikon.
    »Herr Graf«, sagte sie, nicht ohne ein Zittern in der Stimme, »ich sehe Euch ganz grüblerisch. Solltet Ihr etwa schlechte
     Nachrichten erhalten haben?«
    Hierauf lächelte ich ihr auf das anmutigste zu und verneigte mich.
    »Ganz im Gegenteil, Madame, es sind sehr gute. Weil sie aber einen Dritten betreffen, darf ich sie nicht preisgeben, zumindest
     solange dieser Dritte sie nicht zur Kenntnis genommen und ihrer Bekanntgabe zugestimmt hat.«
    Madame de Bazimont machte eine Miene, die mich höchlich ergötzte. Sie erschien mir wie eine Katze, der man einen Napf Milch
     vorhält, diesen aber in dem Moment wegzieht, da sie ihren Schnurrbart hineintauchen will. Nicolas, der diese Mimik beobachtete
     und mit Mühe ein Lächeln unterdrückte, ahnte in diesem Augenblick wohl kaum, daß er selbst der besagte Dritte war und daß
     die Nachrichten, die ich ihm mitzuteilen hatte, angetan waren, sein Leben von Grund auf zu ändern.
    Es wäre grausam gewesen, Madame de Bazimont so bald nach dem kleinen Nasenstüber zu verlassen, zu dem ihre Neugier mich genötigt
     hatte. Daher bat ich sie um eine weitere Tasse Tee, den sie mir erleichtert einschenkte, weil sie nun wußte, daß der Abend
     noch nicht zu Ende war.
    |198| Den ganzen Tag allein in dem großen Hauswesen, in dem sie ihre lebhafte, muntere Herrin vermißte, mehr aber vielleicht noch
     den Majordomus, der, so alt und gebrechlich er auch war, ihr noch immer den liebenswürdigsten Hof machte, langweilte sie sich
     trotz der Leitung des Gesindes und der Pflichten, die ihr als Haushofmeisterin oblagen, sicherlich so sehr, daß sie sich jedesmal
     auf die Heimkehr »ihrer Edelmänner« am Abend freute. Um sie nicht ihrer Enttäuschung zu überlassen, begann ich von der Trennung
     des Königs und des Kardinals zu erzählen – jedenfalls, was ich davon für mitteilenswert erachtete –, damit sie überall verbreiten
     konnte, sie hätten sich in großem Schmerz und in Freundschaft getrennt, einig wie die Finger einer Hand. Dann aber war der
     letzte Tropfen Tee getrunken, und ich

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