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Kardinal vor La Rochelle

Kardinal vor La Rochelle

Titel: Kardinal vor La Rochelle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: R Merle
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königliche Lager öffnete. Damit Nicolas
     nicht als armer Mann neben einer reichen Erbin dastehe, ernannte er ihn zum Chevalier und bewilligte ihm eine Schenkung von
     zehntausend Livres. Und er verfügte, daß die Hochzeit bei seiner Rückkehr nach La Rochelle stattfinden solle, und zwar auf
     seine Kosten und mit aller Feierlichkeit in der schönen romanischen Kirche von Surgères.
    Da diese letzte Verfügung die Hochzeit um sechs Wochen verschob, wären die Liebenden in eine verzweifelte Lage geraten, hätte
     der Passierschein nicht mit dem Tag Gültigkeit erlangt, an dem er ausgehändigt wurde. Nun ängstigte es Mademoiselle de Foliange
     aber auf einmal, La Rochelle zu verlassen, und in einem zweiten Brief fragte sie an, wo sie denn bis zu ihrer Vermählung mit
     dem Chevalier de Clérac wohnen würde. Das veranlaßte mich, Madame de Bazimont die ganze Angelegenheit beim abendlichen Tee
     zu entdecken.
    Die Geschichte war an sich romanesk genug, ohne daß man sie pathetisch aufbauschen mußte, und ich erzählte alles so schlicht
     ich konnte. Doch was half’s, kaum hatte ich geendet, zerfloß Madame de Bazimont vor Rührung, sicherlich im Gedenken an ihren
     eigenen glücklichen Hochzeitstag und an den Tod ihres geliebten Gemahls.
    Sowie ihre Tränen versiegten, bekannte Madame de Bazimont, wie sehr dieses Glück sie freue, Nicolas erinnere sie ja so stark
     an »ihren armen Gemahl«, und was die Sorge von Mademoiselle de Foliange um ihre Unterkunft bis zur Hochzeit angehe, so nehme
     sie es auf ihre eigene Kappe, dem Fräulein ein Zimmer im Schloß anzubieten. Und vielleicht, wenn Madame de Brézolles zustimmen
     würde, könnten die Jungvermählten dann sogar hier wohnen bleiben, damit Nicolas seinem Dienst als mein Junker ohne Unbequemlichkeiten
     weiter nachgehen könne.
    Ein Glück kommt selten allein, und so lachte der Himmel, |206| als Nicolas, Monsieur de Clérac und ich an einem Nachmittag im Februar zu Pferde am Fort de Tasdon Aufstellung nahmen und
     warteten, daß Mademoiselle de Foliange durch das Tor gleichen Namens erscheine.
    Wir hatten uns abgestimmt, nur schlichte Kleider anzulegen und auf die Ankündigung durch einen königlichen Trommler zu verzichten,
     denn um dem Fräulein keine unnötigen Schwierigkeiten beim Verlassen der Stadt zu bereiten, wollten wir die hugenottische Wachmannschaft
     des Forts nicht erst reizen, im besonderen nicht den kleinlichen Hauptmann Sanceaux, der uns, Nicolas und mir, sogar bei unserem
     genehmigten Besuch den Zutritt zur Stadt hatte verweigern wollen. Wir begnügten uns also damit, die Belagerten, die uns von
     ihren Zinnen herab scharf im Auge hielten, höflich und friedlich mit großen Hutschwenken zu grüßen. Trotzdem verrannen die
     Minuten, ohne daß das eisenbeschlagene Tor sich im mindesten bewegte, und die Angst vor einem Scheitern machte uns zunehmend
     beklommen und stumm.
    Endlich – wir hatten nicht das leiseste Geräusch bemerkt, mit dem sich der Schlüssel im Schloß gedreht hatte – lösten sich
     die großen Torflügel mit entnervender Gemächlichkeit voneinander und gaben schließlich das Bild einer Amazone auf weißem Zelter
     frei: Mademoiselle de Foliange. Das vor unseren Pferden zunächst scheuende Tier mit fester Hand lenkend, durchmaß sie das
     Tor und ließ hinter sich die Stadt des schleichenden Todes.
    Ich wandte mich um, und weil das Tor noch offenstand, sah ich vier Reihen Soldaten, von denen ich im ersten Moment glaubte,
     sie würden uns verfolgen, was aber ein ganz unsinniger Eindruck war, weil sie uns den Rücken kehrten. Und ich erkannte, daß
     sie mit den Breitseiten ihrer Piken eine kleine Gruppe von abgezehrten Männern und Frauen zurückdrängten, die verzweifelt
     versuchten, sich mit durch das Tor zu flüchten, das inzwischen aber bereits von anderen Soldaten verschlossen wurde.
    Das Gemenge dieser paar Rochelaiser, die gegen die abwehrenden Soldaten andrängten, hatte etwas sonderbar Groteskes, denn
     Angreifer wie Angegriffene waren gleichermaßen entkräftet und abgezehrt, und daß die Soldaten zuletzt die Oberhand behielten,
     war wohl nur ihren Piken zu verdanken, so |207| schwer es den Bewaffneten auch zu fallen schien, sie in der Horizontale zu halten. Aber das Erstaunlichste an diesem kleinen
     Straßenaufstand war, in welchem Schweigen er ablief. Die ganze Zeit war nicht ein militärischer Befehl, nicht eine Beschimpfung
     von seiten der Leute zu hören. Und erst am Abend, als ich wieder daran dachte,

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