Kardinalspoker
Kreise der Vergnügungsreisenden Kardinal auf dem
Gewissen haben«, dachte Böhnke laut. »Aber wenn dem so wäre, ermittele ich ja gerade
konträr zu dem, um das Sie mich gebeten haben, nämlich festzustellen, dass Kardinal
eben nicht aus politischen Gründen das Zeitliche segnen musste.«
»Das genau ist Ihre Aufgabe, Herr
Böhnke.« Müller lächelte milde. »Man kann alles zerreden und zerstreuen. Es reicht
doch schon, wenn Sie feststellen, dass es auch andere gravierende Gründe statt der
politischen für den Mord gibt. Dann redet sich jeder unter Verdacht stehende Politiker
fein raus.«
Böhnke fühlte sich unbehaglich.
Diese Denkart war nicht die seine.
»Außerdem«, fuhr Müller fort, »sind
nicht nur Politiker und Beamte aus Köln betroffen, sondern von der gesamten Rheinschiene
von Bonn bis Düsseldorf und dem Niederrhein.«
»Muss ich das verstehen? Warum habe
ich bislang noch nie etwas davon gehört oder gelesen?«
»Werden Sie auch nicht«, antwortete
Müller. »Es gibt eine Vereinbarung zwischen allen Beteiligten, nichts davon bekannt
werden zu lassen.«
»Und Kardinal wollte sich nicht
daran halten, als er Wind davon bekam?«
»So wird es vielleicht gewesen sein.«
Böhnke musste sich sammeln. Wohin
wollte ihn Müller lenken? Er traute dem Oberbürgermeister nicht und unterstellte
ihm ein taktisches Spiel.
»Ach so, bevor ich es vergesse«,
Müller unterbrach seine Gedankenspielerei. »Ich habe noch einmal mit dem Kunstmäzen
gesprochen, mit dem ich mich in Aachen verabredet hatte. Er wird nicht bereit sein,
unser Gespräch zu bestätigen. Sie müssen also meinem Wort glauben, dass mein Aufenthalt
in Ihrer schönen Kaiserstadt den Grund hatte, den ich Ihnen bereits nannte.«
Böhnke fühlte sich unwohl in Anwesenheit
dieses Menschen. Gab es noch etwas zu besprechen? Nein!, entschied er für sich.
Müller erzählte viel und sagte wenig. Und wenn er etwas äußerte, machte er die Situation
komplizierter, als sie zuvor gewesen war.
»Ich glaube,
die Mordsache Kardinal wird irgendwann im Nichts enden, und kein Politiker wird
mit ihr in Zusammenhang gebracht werden«, meinte er, als er sich seufzend erhob.
Müller lächelte
ihn an. »Ich glaube, Sie haben mich verstanden. Aber machen Sie ruhig weiter in
dieser Angelegenheit. Das kommt gut an, wenn ich erklären kann, wir würden intensiv
nach den Gründen suchen für den verabscheuungswürdigen Mord an einem Kölner Ratsherrn.«
Herzlich schüttelte
er Böhnke die Hand zum Abschied, als sei durch das Gespräch der richtige Weg gefunden
worden.
»Eine Frage
habe ich noch«, sagte Böhnke, er hatte sich an seine Überlegungen im Zug erinnert.
»Kennen Sie einen Heinz-Willi Büchse?«
»Nie gehört«, antwortete Müller,
ohne nachzudenken. »Gehört nicht zu dem Personenkreis, in dem ich verkehre.«
Eine Ansichtskarte vom Kölner Dom. Wann hatte er zum letzten Mal einen
Fotogruß verschickt? Böhnke schob seine Frage beiseite. Er setzte sich in die Espresso-Bar
im Hauptbahnhof, gönnte sich einen Doppelten und schrieb die Karten; und wenn sie
nur den Anlass für die Empfänger bieten würden, ihn zu fragen, was das denn nun
schon wieder sollte. So kam man wenigstens ins Gespräch.
Vielleicht.
19.
»Was soll das denn?« Mit wachsendem Unverständnis schaute sich Lieselotte
die Ansichtskarte aus Köln an, die sie aus dem Briefkasten geklaubt hatte. »Hast
du mir etwa nichts mehr zu sagen, Commissario?«
»Ich finde die Karte schön«, entgegnete
er vergnügt. »Ich glaube, die passt richtig gut in unsere Kartensammlung auf der
Toilette.«
Kopfschüttelnd akzeptierte seine
Liebste die Antwort. »Du hast Sorgen.«
Jede andere
Reaktion von Lieselotte hätte ihn auch gewundert.
»So, jetzt
ist Schluss mit lustig«, verkündete sie voll Tatendrang. »Wir haben endlich einmal
ein Wochenende für uns und da will ich mich weder über Ansichtskarten unterhalten
noch über irgendwelche Kriminalfälle. Heute ist Putztag und morgen wird gewandert,
mein Lieber. Und wehe, einer deiner Spezis versucht, unsere Idylle zu stören!«
Ihre Besorgnis war unbegründet. Niemand wollte Böhnke sprechen. Anscheinend
wussten alle, wann er zu sprechen und wann er unabkömmlich war.
»Meinen Sie etwa, ich will mir von
Frau Kleinereich eine Gardinenpredigt anhören?«, meinte Sümmerling, als er sich
am Montag telefonisch in Huppenbroich meldete. »Ich weiß schließlich, was sich gehört.
Ich hoffe, die Wochenendruhe ist auch Ihnen bekommen.« Der
Weitere Kostenlose Bücher