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Kardinalspoker

Kardinalspoker

Titel: Kardinalspoker Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kurt Lehmkuhl
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langjährigen
Haftstrafe wegen Totschlags aus dem Gefängnis entlassen worden war. Über die Hintergründe
dieser Tat wolle sich die Polizei nicht auslassen, berichtete der Journalist aus
einer Pressekonferenz aus dem Aachener Polizeipräsidium. Es könne allerdings einwandfrei
ausgeschlossen werden, dass es politische Gründe für den Mord an Kardinal gebe.
Der Täter stamme keinesfalls aus dem politischen Umfeld des Ermordeten, auch habe
er keinerlei Verbindungen zur Kölner Kommunalpolitik.
    Müller wird’s
freuen, dies schwarz auf weiß zu lesen, dachte sich Böhnke.
    Insgesamt warf
der Bericht jedoch mehr Fragen auf, als er Antworten zu geben wusste. Sümmerling
begab sich in seinem Text schnell auf das Gebiet der Mutmaßungen. Handelte es sich
um einen Alleintäter? Hatte er Hintermänner? Gab es einen Zusammenhang zwischen
diesem Mord am Tivoli und dem zweiten Todesfall?
    Selbstverständlich gab es die Verbindung,
wie Böhnke wusste: Bei beiden Morden war dasselbe Gift zum Einsatz gekommen.
    ›Wenn der AZ-Reporter nicht einmal
die Initialen des Täters veröffentlicht, spricht das dafür, dass die Polizei sie
nicht genannt hat‹, dachte sich Böhnke, während er sich weiter dem Artikel widmete.
    Die Verhaftung sei völlig unspektakulär
verlaufen, zitierte Sümmerling einen Polizeisprecher. Streifenpolizisten hätten
den mutmaßlichen Mörder in einer Kneipe an der Wirichsbongardstraße entdeckt, die
herbeigerufene Verstärkung habe den Mann festnehmen können. Er habe keinerlei Widerstand
geleistet. Ob er wenigstens seine Unschuld beteuert hatte, ließ der Bericht offen.
Diese Frage war anscheinend nicht gestellt und daher auch nicht beantwortet worden.
Es hieß in Sümmerlings Berichterstattung lediglich, es gebe noch kein Geständnis.
    Böhnke stieß sich an dem ›noch‹.
Das bedeutete, der Verhaftete müsse zwangsläufig ein Geständnis ablegen. Da war
von vornherein von einer Unschuldsvermutung keine Rede mehr.
    Aber konnte er davon ausgehen, dass
Josef Lipperich unschuldig war?
     
    Der Gedanke ließ ihn einfach nicht los. Beim Aufräumen der Küche nach
dem Frühstück ebenso wie beim Schlendern durch Huppenbroich kreiste die Frage durch
seinen Kopf: War Lipperich unschuldig?
    Lipperichs Vater würde diese Frage
für sich bejahen.
    Merkwürdig, dachte sich Böhnke,
als er seinen gemächlichen Schritt auf den Friedhof lenkte, der, wie fast immer,
totenstill in der Natur lag. Wieder sollte er einem Menschen helfen, dem er eigentlich
gar nicht helfen konnte. Das war bei Werner Müller so und das war bei Walter Lipperich
nicht anders. Der Pensionär setzte sich auf die naturbelassene Holzbank in der Nähe
seiner zukünftigen Ruhestätte.
    Vielleicht konnte er doch noch etwas
für den Alten tun. Nicht viel zwar, aber wenigstens etwas. In seinem Hinterkopf
rumorte etwas, das ihn nicht zur Ruhe kommen ließ. Es musste mit dem jungen Lipperich
zu tun haben und mit dem damaligen Fall. Aber es war schon so lange her, und seitdem
war eine Menge passiert. Wie sollte er sich da noch an Einzelheiten erinnern? Und
dennoch. Etwas war damals außerhalb des Gewöhnlichen gewesen. Er würde sich noch
daran erinnern, da war er sich sicher. Irgendwann.
    Der ehemalige Kommissar erachtete
es als nicht despektierlich, auf dem Friedhof zum Mobiltelefon zu greifen. Das Gerät
war Teil seines Lebens geworden, wie auch ein Friedhof Teil des Lebens war. Fast
erschrak er, als sich eine vertraute Stimme meldete, die er längst abgehakt hatte.
    Grundlers ehemalige Partnerin und
Sekretärin meldete sich unter dessen Rufnummer.
    »Was machen Sie denn da?«, entfuhr
es ihm perplex.
    Die Frau lachte. »Herr Böhnke, fragen
Sie mich bitte etwas Leichteres. Aber ich glaube, Tobias hat ein wenig Vernunft
angenommen.«
    »Und jetzt sind Sie wieder ein Paar?«
    »Nein«, antwortete sie schnell.
»Tobias hat mich gebeten, seine Kanzlei zu führen. Was daraus wird, muss die Zukunft
zeigen.« Sie habe ihre Wohnung in Düsseldorf aufgegeben, nachdem ihr Erbonkel Horst,
den sie lange gepflegt hatte, verstorben sei. »Ich mache das hier im Büro quasi
nur, damit ich etwas zu tun habe. Finanziell habe ich ausgesorgt, da kann ich einem
armen Schlucker wie Tobias auch ohne Gehalt helfen. Im Gegenzug bekommt er von mir
kein Honorar. Er soll nämlich für mich eine Stiftungsgründung in die Wege leiten.«
    Böhnke wollte nicht nachhaken. Das
wäre ihm aufdringlich und indiskret vorgekommen. Aber er freute sich, dass wenigstens
die Zeit der

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