Karibik all inclusive: Ein Mira-Valensky-Krimi
habe ihn am Strand bei seiner Mutter abgeliefert, seine Augen waren noch immer rot. Einer der Taxler hat mich umsonst zurück ins Pleasures gefahren, er ist ein Onkel von Thomas, wenn ich richtig verstanden habe. Man war bemüht, ihn nicht zu viel Mitleid spüren zu lassen, Mitleid kann einem Leidenden doppelt weh tun. Trotzdem war die Sympathie für ihn greifbar. Thomas hat mit den Morden nichts zu tun, da bin ich mir sicher. Und es war auch nicht er, der Bradley von unserer Nacht erzählt hat. Egal, was sich Vesna zusammenreimt.
Michel schneidet den Rücken und die Keule der Ziege in große Würfel und röstet sie in Butter an, Butter sei hier sehr teuer, aber für dieses Gerichte dürfe man einfach nur echte Butter nehmen, doziert er. Oui, Chef. Als das Fleisch Farbe angenommen hat, fügt er Zwiebel und Knoblauch sowie ein paar Scotch Bonnet Peppers und einen scharfen Chili hinzu, röstet noch einmal durch und gießt alles mit einer ziemlichen Menge Rum auf. Es zischt, und ein süßlicher, alkoholschwerer Duft steigt auf.
Ich bekomme Sehnsucht nach einem Mount Gay on the rocks und karibischem Nichtstun, Nichtsdenken.
Nachdem sich die Flüssigkeit etwas reduziert hat, ergänzt er sie mit so viel Jus, dass das Fleisch gut bedeckt ist. Jetzt kommt meine Limettenschale dazu und – voilà – das war es fürs Erste. Das Ragout soll nun mindestens eine Stunde leise vor sich hin köcheln, Michel weist einen seiner Hilfsköche an, etwas Jus nachzufüllen, wenn die Flüssigkeit nicht mehr über das Fleisch reicht.
Ich bekomme meinen Rum, und Vesna und Bata erzählen, was sie in der Stadt gehört haben. Über Angela la Croix herrschen sehr geteilte Meinungen: Die einen halten sie für das Inbild der jungen, tüchtigen Inselfrau, die anderen für eine überhebliche verwöhnte höhere Tochter, die vom wahren Leben in St. Jacobs keine Ahnunghat. Die Wahrheit dürfte wie meist irgendwo in der Mitte liegen. Aber wo genau?
Fast alle waren sich einig, dass beim Bau des Hotels Bestechungsgelder geflossen sind.
„Der Vater von la Croix, Gott hab sie selig, hat sich eine riesige Villa gebaut – genau zu der Zeit, als die Genehmigung des Hotels durchgegangen ist“, berichtet Bata triumphierend. Und Angela selbst hat das Hotelprojekt juristisch überwacht.
„War er eigentlich zuständig für den Bau?“, frage ich.
Bata weiß das nicht so genau, sie fragt Michel, aber der wiegt ratlos den Kopf.
„Weiß man von noch jemand, der sich bestechen hat lassen?“
„Man sagt, es habe auch die Idee gegeben, das Hotel in der Best Bay bauen zu lassen. Aber da hätte Thomas Carlyle interveniert, seine Mutter Rosemary hat viele Kontakte auch zu hohen Stellen.“
„Sie werden kaum jemand bestechen können.“
Vesna sieht mich spöttisch an. „Willst du Wahrheit herausfinden oder Thomas Heiligenschein machen?“
Bata mischt sich ein: „Nein, für Bestechung fehlt denen das Geld, das ist klar. Zwei, drei andere Minister sollen etwas genommen haben. Ich tippe jedenfalls auf Doledo, der hat seine Finger überall drin. Dick abgesahnt hat auch ein Gutachter, der gemeint hat, den Schildkröten werde schon nichts passieren. Was natürlich nicht gestimmt hat.“
Vesna dreht das Glas mit ihrem Ananassaft. „Außerdem – man spekuliert über Mord aus Eifersucht. Irgendwie ist deine Geschichte an die Öffentlichkeit gekommen.“
Ich sehe sie fassungslos an, meine Güte, wie peinlich. Die österreichische Touristin, die sich unsterblich in den Rezeptionisten aus St. Jacobs verliebt. Dabei war doch alles ganz anders, ist ganz anders.
Um es klarzumachen, fügt Vesna hinzu: „Du bist die Mordverdächtige. Zumindest für gewisse Leute.“
Michel nimmt mich an der Schulter. „Wir müssen die Ziege fertig machen“, sagt er. Ich trotte hinter ihm her und denke: Welche Ziege? Ob es seine Hilfsköche auch schon wissen? Ob sie es am Strand gewusst haben? Vielleicht war es gar nicht einfühlsameZurückhaltung Thomas gegenüber, sondern erstauntes Schweigen, als ich mit ihm … Spätestens jetzt wird auch Thomas schon von diesem Gerücht gehört haben.
Michel wedelt mit der Hand über dem Ziegenragout, schnuppert und stößt begeisterte Laute aus.
„Du bist keine Mörderin. Basta“, sagt er dann und damit ist für ihn der Fall erledigt, „riech einmal! Formidable!“
Ich bin den Tränen nah, schlucke, schnuppere dann aber, ein zweites Mal. Zarter Duft nach Ziege und Rum und Limette. Michel kostet, rührt einen Löffel Stärkemehl mit
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