Karibik all inclusive: Ein Mira-Valensky-Krimi
schreit der mit dem rötesten Gesicht.
„Danke“, sagt sie und macht noch einen Strich auf ihren Kassablock. Trinken wird sie ihn kaum, denke ich mir. Ich lächle ihr komplizenhaft zu. Sie lächelt zurück. Der Nächste, der seinen Drink bar bezahlt, bekommt ihren: So wird niemand betrogen, sie muss sich nicht betrinken und erhält das Geld, das ein extrastarker rum punch kostet.
Sie bringt die Gläser zum Tisch der Klubgarnitur und prostet den Herren wenig später mit einer Flüssigkeit zu, die man von weitem und nicht mehr ganz nüchtern für rum punch halten könnte.
Am anderen Ende der Theke, so, dass er für mich fast durch die chromblitzende Saftzentrifuge verdeckt ist, sitzt der amerikanische Polizeibeamte, der am Pool in die Luft geschossen hat. Er nickt zu mir herüber. Offenbar hat mich der Reporter versetzt. Ich binneugierig. Der Mann hebt sein Glas und deutet fragend auf den Platz neben mir, internationale Verständigungsgeste. Ich nicke.
„Martin Pollac“, stellt sich der Mann höflich vor. Er ist an die fünfzig, schlank mit braunen Haaren, ein Typ, den man sofort wieder vergisst. Nicht schlecht für seinen Beruf. Sein Englisch klingt gepflegt und hat nichts mit jenem zu tun, das amerikanische Cops in TV-Serien reden. Aber die sehen ja auch völlig anders aus.
Ich stelle mich vor. Wahrscheinlich weiß er längst, dass ich verdächtigt werde. Wer sagt, dass er nicht mit der hiesigen Polizei zusammenarbeitet? Er ist vielleicht gar nicht auf Urlaub, sondern von der amerikanisch-deutschen Konzernführung angeheuert, wer weiß.
„Sie haben durch Ihre Schüsse eine schlimmere Prügelei verhindert“, lobe ich ihn.
„Dabei war es nur ein Schreckschussrevolver. Ich mag Waffen nicht, aber ich muss mich an sie gewöhnen.“
Seltsamer Polizist, sehr sympathisch, ich mag auch keine Waffen.
„In ihrem Beruf …“, setze ich an.
„Sie kennen meinen Namen?“, strahlt er auf.
Ich bin irritiert. „Ich weiß nicht …“ Warum sollte ich den Namen eines amerikanischen Polizisten kennen?
Pollac seufzt auf. „Entschuldigen Sie, warum auch? Ich bin Schauspieler, aber es kennt mich so gut wie niemand.“
Überrascht sehe ich ihn an. „Und Sie hatten zufällig einen Schreckschussrevolver dabei? Und eine derart gute Reaktion?“
„Ich habe den Tumult gehört und bin hinuntergelaufen, ich bin ein eher ängstlicher Mensch, ich weiß nicht, warum, aber ich habe die Schreckschusspistole, mit der ich für meine nächste Rolle trainieren soll, mitgenommen. Und als ich dann die Schlägerei gesehen habe, da habe ich das getan, was häufig in Drehbüchern steht, ich habe ‚aufhören, sofort aufhören, Polizei!‘ gebrüllt.“
„Sie haben eine laute Stimme.“
„Sie gehört zu meinem Handwerk. Hat man eigentlich schon eine Spur?“
„Sie haben nichts mitbekommen?“
„Ich bleibe die meiste Zeit hier im Hotel.“
Um sich das Hotel leisten zu können, muss er ganz gut verdienen.Pollac, Pollac – habe ich trotzdem noch nie gehört. „Sie spielen Theater?“ Das scheint mir am ehesten zu ihm zu passen.
„Nein, ich bin Filmschauspieler. Eine meiner Rollen kennen Sie hundertprozentig.“
Hoffentlich, ich möchte nicht unhöflich sein.
„Lilac.“
Lilac ist das nette lila Fellmonster mit Breitmaulfroschmund, Glupschaugen und einem gewissen Hang zur Anarchie. Der Film war der Sommerhit des vergangenen Jahres, A-Movie, Traumfabrik Hollywood, ich hab über die Österreich-Premiere berichtet. Der Film war nett, stellenweise sogar ausgesprochen witzig.
„In Verkleidung ist jede meiner Autogrammstunden fünftausend Dollar wert. Ohne Verkleidung – bin ich ein Niemand.“
„Ist das nicht angenehm?“
„Schon, aber … Man wird in gewisser Weise auch Schauspieler, um erkannt zu werden.“
„Sie haben ja auch in anderen Filmen gespielt.“
„Natürlich, aber das war meine große Rolle, mein Durchbruch. Und trotzdem: Sogar im Besetzungsbüro und in den Filmstudios muss ich immer ‚Lilac‘ dazusagen, damit mich jemand wiedererkennt. Das nagt manchmal ganz schön am Selbstbewusstsein.“
„Ich würde gerne mit Ihnen ein Interview machen: ‚Der Mann, der hinter Lilac steckt.‘“
Er strahlt auf.
„Ich schreibe bloß für ein österreichisches Magazin, aber … Ich bin mir sicher, das ist eine Story, die viele gerne lesen. – Bei der Filmpremiere waren Sie nicht in Wien, oder?“
„Nein, in Europa haben wir jemand anderen in das Lilac-Kostüm gesteckt, er musste sich bloß fotografieren
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