Karibik all inclusive: Ein Mira-Valensky-Krimi
habe, sondern dafür auch etwas tun muss. Ich habe ihn in gewisser Weise behandelt wie einen netten, treuen Hund. War da Liebe? Ist da noch Liebe? Ich will meine Unabhängigkeit und ich will gleichzeitig jemand, der bei mir ist. Und auf den ich mich verlassen kann. Einen Fixpunkt. Oskar. Und was bin ich bereit zu geben?
Aber so etwas kann ich Oskar nicht schreiben, vielleicht später einmal. Ich weiß ja selbst nicht, was ich will. Also nur ein paar Zeilen.
„Lieber Oskar,
hier ist es wunderschoen, (fast) wie im Bilderbuch, aber du weisst ja, zu viel Idylle ist auch nicht mein Fall. Es geht mir gut, Vesna laesst gruessen. Ich hoffe, wir sehen uns nach meiner Rueckkehr,
ich schicke dir viel karibische Sonne,
deine Mira.“
Das „Deine“ setze ich nach einigem Überlegen, ebenso wie er es gemacht hat, in Klammern. Was immer das heißen soll. Es lässt jedenfalls hoffen.
Ich sehe auf die Uhr. Noch eine halbe Stunde.
Vesna hat Bata und Michel vorgeschwindelt, sie möchte mit mir im Hotel einen Drink nehmen. Ob sie auch für den kurzen Weg das Auto nehmen dürfe? Tatsächlich wollen wir uns, sicher ist sicher, nach unserem Besuch im Untersuchungsgefängnis an einer der Bars des Pleasures zeigen. So, als ob wir nie weg gewesen wären. Ich setze mich in Bewegung, schlendere durch den Garten, grüße zum Schauspieler hinüber, der schon wieder an der Poolbar hockt, verschwinde rasch hinter der Rückseite des Wirtschaftsgebäudes, gehe dicht am Zaun bis zur Hotelauffahrt, renne durch ein Stück beregnete Wiese, bin auf dem Weg zur Inselstraße. Vesna wartet mit abgeschalteten Scheinwerfen. Ich steige rasch ein, sage nichts, erst auf der Hauptstraße dreht Vesna das Licht an.
Wir parken eine Querstraße oberhalb des Polizeigebäudes. Zum Glück ist der alte Subaru unauffällig. Der Hintereingang soll offen stehen, hat uns der Wieselgesichtige versprochen. Die Straßenbeleuchtung ist hier, abseits der Hauptstraße, noch spärlicher. Lange Schatten. Heute bin ich froh darüber. Wir atmen flach, versuchen, uns lautlos zu bewegen, uns eng an die Hausmauern zu halten und dennoch, für den Fall, dass jemand kommt, völlig harmlos zu wirken. Grüne Tür aus Eisen, die Farbe blättert ab. Ich sehe mich vorsichtig um. Musik dringt aus irgendeinem Haus herüber.
She knows how to caress me
,
Her love is sweet like sugar
,
And all the love she gives to me, yeah
,
Yeah, yes it’s pure like honey
…
Die Tür steht tatsächlich einen Spalt offen, Vesna entfernt das Steinchen, das sie am Zufallen gehindert hat. Wir schleichen wie vereinbart den rechten Gang entlang. Es ist beinahe stockfinster. Durch die kleinen Fensterluken hoch oben dringt kaum Licht. Es ist Wahnsinn, uns in die Hände dieses Unbekannten zu begeben. Auf Empfehlung einer Schlägertruppe. Ein Geräusch. Ich halte die Luft an. Im nächsten Moment wird es hell werden, Bradley wird vor uns stehen und wir … Es ist das Wieselgesicht.
„Mein Kollege ist gegangen, um mit seiner Frau zu telefonieren, wie immer. Es läuft nach Plan.“
Wir schleichen eine Seitentreppe nach oben, es riecht nach feuchtem Stein, scharfem Putzmittel, Urin, nach Verließ. Der Mann öffnet eine Tür, späht hinein, winkt uns. Licht. Wir zwinkern, rennen an einem verlassenen Doppelschreibtisch vorbei. Er sperrt die massive Stahltür auf, löst den Sicherheitsriegel, schließt sie wieder. Wenn es stimmt, was er uns gesagt hat, dann sitzt in diesem Trakt nur Big Tin. Wir kommen an zwei leeren Zellen vorbei, die Türen stehen offen. Die Türe zur dritten Zelle ist geschlossen. Man muss den Riegel zur Seite ziehen. Was, wenn Big Tin uns … Wenn er uns anfällt, kommen die beiden Wachebeamten. Aber dann …
Die Tür lässt sich beinahe lautlos öffnen. Big Tin hat einen festen Schlaf. Er liegt in Unterwäsche auf der Pritsche und schnarcht leise. Der muskulöse Brustkorb hebt und senkt sich. Keiner, dem ich allein im Finstern begegnen möchte. Aber Vesna ist ja bei mir. Sie rüttelt Big Tin am Arm. Er fährt hoch, will etwas sagen, sieht uns dann aber an, als hätte er einen schlechten Traum. Kann ich ihm nicht verdenken.
„Wir wollen dir helfen“, beginne ich.
Für Engel scheint er uns dennoch nicht zu halten, er knurrt Unverständliches.
„Wir glauben, dass du unschuldig bist“, mache ich weiter. „Wir haben einen Wärter bestochen, um mit dir reden zu können.“
„Warum?“
Er scheint etwas begriffsstutzig zu sein.
„Weil du helfen kannst.“
Schön langsam wird er
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