Karibik Träume... und zwei Leichen
der Grund für seine Besuche weg. Und Ali verlor die Geduld und die beiden trennten sich. Klar, dass Thorsten den großen Durchhänger hatte und sich als Versager fühlte. Jetzt hatte er versucht ohne „Mutti“ etwas auf die Beine zu stellen und war so was von auf der Schnauze gelandet.
Ich wählte noch einmal Ali´s Nummer. Diesmal nahm sie ab.
„ Hola Ali. Lobo otra vez.“
„ Hola Lobo! Que tal ? Que es urgente ? “ Besorgnis schwang mit. Ob sie etwas ahnte?
„ Regular! “ was so viel wie „nicht so gut“ bedeutet.
„ Una cosa con Thorsten? “ fragte sie besorgt. Frauen und ihre Antennen.
„ Si! “ Ich versuchte ihr die Nachricht so schonend wie möglich beizubringen. Weit kam ich nicht.
Sie brach in Tränen aus. „Ist er schon beerdigt?“
Ich verneinte. „Das dauert hier länger als bei Euch. – Samstag, glaube ich.“
„Ich will ihn sehen. – Einmal noch.“ Sie weinte jämmerlich. „Wir haben gestritten. – Und jetzt ist er tot. – So darf man doch nicht auseinandergehen.“ Sie schluchzte wie ein kleines Kind. Ich befürchtete schon ihr blieb die Luft weg.
„Ali! Ali! Cono! Atme! Hol´ Luft, verdammt.“
„Kann ich … dich … anrufen?“ japste sie nach, für mich endlos langer Zeit.
Ich gab ihr meine Nummer und sie legte auf.
Der Rest des Tages verlief ereignislos. Ich fuhr in die Stadt und streifte grübelnd durch die Fußgängerzone. Danach besuchte ich meine Mutter, die im Kraienbruch direkt neben der Michaelskirche wohnt und aß bei ihr zu Abend. Obwohl sie Witwe ist, kocht sie noch jeden Tag. Und immer so viel, dass mehrere satt werden. Sie ist vom alten Schlag. Es könnte ja unverhofft Besuch kommen. Überhaupt hat sich ihr Tagesablauf seit dem Tot meines Alten nicht viel geändert. Sie hat ihre über Jahre eingeschliffenen Routinen beibehalten. Vielleicht gibt ihr das Halt und lässt die Frage nach dem Sinn erst gar nicht aufkommen. Früher hatte sie Oma, um die sie sich kümmerte, ihren Mann und ihren Sohn. Oma und Mann sind tot. Der Sohn aus dem Haus. Neue Inhalte? Etwas tun wozu früher die Zeit oder das Geld fehlte? An Reisen hat sie keinen Spaß. Schon gar nicht mit einer Rentnergruppe. Und alleine irgendwo hin, ist auch nicht so doll. Da sind wir uns ähnlich. Das Einzige was sie macht, ist ihr Yoga, zweimal die Woche. Aber auch das schon seit Ewigkeiten. Eine Zeit lang belegte sie Kurse in der Volkshochschule. Literatur, weil sie gerne liest. Aber die Oberschlauen in den selbstgestrickten Pullovern mit ihren intelligenten Diskussionsbeiträgen zu der Frage der Fragen: „Was will uns der Autor damit sagen?“ waren nicht ihre Wellenlänge. Sie liest, weil es Unterhaltung ist. Ein Enkelkind müsste sie haben. Ich glaube, das würde sie glücklich machen. Wieder jemanden zum Bemuttern. Aber meine Ex und ich haben uns als bevölkerungspolitische Blindgänger erwiesen.
Gegen Zehn war ich wieder zu Hause, machte mein Schlafcouchbett und legte mich hin. Das Telefon blieb stumm.
Kapitel 4
4
Am nächsten Morgen stand ich früh auf. Ich hatte einen Termin beim Arbeitsamt. Während der Kaffee lief, rasierte ich mich, duschte und zog mich an. Ich räumte das Bettzeug weg und stellte Brot, Margarine und Wurst auf den Tisch im Wohnzimmer. Während ich aß, ließ ich mich vom Frühstücksfernsehen berieseln. Der Wetterbericht kündigte für heute wieder Sonne und hohe Temperaturen an. Für die Jahreszeit zu heiß. Mir sollte es recht sein. Als ich fertig war, räumte ich alles weg, spülte und machte mich auf den Weg. Die Bottroper Straße Richtung Stadt war, wie jeden Tag zu dieser Zeit, voll mit Pendlern. Ich schlängelte mich mit der 500er in der Mitte der zwei Spuren, immer nach Polizisten Ausschau haltend. An der Uni und der Nordhofstraße mit dem Puff vorbei, erreichte ich relativ schnell das Arbeitsamt am Berliner Platz. Mit dem Auto hätte ich die doppelte Zeit gebraucht. Zufrieden mit mir, parkte ich fast vor dem Eingang. Ich ging hinein, zog eine Nummer und wartete. Soviel zum Thema „Termin“. Das stundenlange Herumlungern auf dem Gang hat schon etwas Nervendes. Wie mag es jenen ergehen, die schon seit Jahren kommen? Regen die sich noch auf, oder stumpft man mit der Zeit ab? Ich jedenfalls nahm Linoleumboden, kalten Zigarettenqualm und dauerndes Gemecker noch war. Ab und zu laute Stimmen hinter einer Tür. Die Gespräche auf dem Flur verstummten dann interessiert. Abwechslung.
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