Karibik Träume... und zwei Leichen
berücksichtigen.
Wir plauderten über dies und das und kamen über die Politik auf den Fall der Mauer. Er war in der DDR geboren und wuchs in der Nähe von Schwerin auf. Als er sein Abitur machte, kamen Jugendoffiziere und versuchten ihn davon zu überzeugen sich bei der Volksarmee zu verpflichten. Nun, die Bedenkzeit, die er sich ausgebeten hatte, dauerte den Behörden wohl zu lange und seine Linientreue und sozialistische Gesinnung wurden angezweifelt. Ob es sonst noch was gab, weiß ich nicht. Jedenfalls wurde ihm mitgeteilt, er könne ein Studium vergessen. Er versuchte zu türmen und wurde geschnappt. Danach verbrachte er wegen versuchter Republikflucht einige Zeit im Gefängnis und wurde in den Westen abgeschoben. Mutter und Bruder blieben drüben. Über Friedland gelang er nach Essen in die Aussiedlersiedlung am Schnitterweg. Ziemlich mittellos begann er an der Gesamthochschule Elektrotechnik zu studieren und lernte irgendwann seine Frau, Carla, kennen. Bald wurde geheiratet. Weil Anfand der Neunziger Ingenieure nicht wirklich gesucht wurden, vermittelte der Schwiegervater über Beziehungen einen Job bei der Gute-Hoffnungs-Hütte in Sterkrade. Nach ein paar Jahren stellte Schmitt fest, dass er ein Problem mit Vorgesetzten und Autoritäten hatte. Er zog die Konsequenzen und wurde sein eigener Chef. Der Schwiegerpapa sorgte für die nötige Finanzspritze und See aS wurde gegründet. Ein paar kleinere Aufträge in Übersee und der Laden war soweit etabliert, dass man expandieren konnte. Und damit sind wir wieder im Industriegebiet am Max-Planck-Ring.
Ein paar Wochenenden später, war Samstag Abend mal wieder das Gran Campo angesagt. Eine von den zwei Kneipen, in die auch Thorsten, mittlerweile waren wir beim „Du“, gingen. Obwohl Kneipe den Charakter nicht richtig beschreibt. Das Gran Campo ist eine Tasca . Also Bar und Restaurant in einem. Fast jeden Abend gab es Life-Musik. Die Musik ist so laut, dass Unterhaltung schwer möglich ist. Für uns Europäer, die gerne bei sanftem Hintergrundgedudel essen, anfangs ein wenig gewöhnungsbedürftig. Wenn man dann aber erst einmal mit den karibischen Rhythmen infiziert ist, bekommt man nicht genug davon. In der Mitte die obligatorische U-förmige Bar. Hier werden zu den Getränken auch kleine Snacks, wie Chicken-Wings oder Käseröllchen gereicht. Links vom Eingang vier oder fünf Tische und hinter der Bar nochmal dasselbe. Rechts vom Eingang eine kleine Empore, die Bühne. Freitags und samstags ging es hier hoch her. Es hatte sich natürlich herumgesprochen, dass viele gringos in der Stadt waren, denen das Geld locker saß. Die Mädchen kamen aus La Victoria, San Mateo, zum Teil aus Maracay, immerhin fast vierzig Kilometer entfernt. Und obwohl La Victoria mittlerweile den Ruf hatte eine Stadt der bandidos und putas zu sein, waren natürlich nicht alle Männer Gangster und nicht alle Frauen Nutten. Es war wie bei uns. Es gibt irgendwo eine In-Kneipe , und alles rennt hin.
Es war noch relativ früh, so gegen neun, als Thorsten und ich unsere Plätze an der Theke, links vom Eingang, einnahmen und das erste Bier tranken. Gegen halb zehn wurde es voller und um zehn fing die Band an zu spielen. Die Sängerin hieß Jenny. Sie wirkte ein bisschen arrogant und unterkühlt. Groß, schlank, dunkle Haare. Sie trug hautenge Jeans und ein knappes Top, dass…. Hatten wir das nicht schon einmal? Also, figurbetont, eben! Zu den aktuellen Hits, die sie vortrug, ließ sie ihr Becken kreisen. Ich hatte die Theorie aufgestellt, dass die karibischen Frauen ein Gelenk mehr haben, als die europäischen. Nur so waren für mich diese Bewegungen zu erklären. Thorsten vertrat die Gegenthese, dass sie irgendetwas „ausklinken“ könnten. Fasziniert sahen wir ihr zu. Zwischen uns und der Bühne lag die Basis des Theken-U. An ihr saß eine Kleine, Schwarzhaarige, die mit einem Mann da war. Sie sah des Öfteren zu uns herüber und lächelte. Wir lächelten höflich zurück, wenn wir glaubten, dass ihre Begleiter es nicht merkte. Man weiß ja nie und wir waren nicht auf Stress aus. Als sie uns ungeniert über die Theke zuprostete, fragten wir uns schon, ob es eine Nutte mit ihrem Zuhälter wäre. Jenny und ihre Jungs machten eine Pause und wir drehten uns weg, um zu Quatschen. Nach zwanzig Minuten ging es weiter und plötzlich stand die Kleine neben uns und forderte Thorsten zum Tanzen auf. Obwohl ich merkte, dass es ihm nicht ganz wohl dabei war, ließ er sich nicht wirklich
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