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Karin Schaeffer 03 - Die stumme Zeugin

Karin Schaeffer 03 - Die stumme Zeugin

Titel: Karin Schaeffer 03 - Die stumme Zeugin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kate Pepper
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bewarben. In unserer Anzeige stand: Büroangestellte für zwölf Stunden in der Woche gesucht, Bezahlung bis zu fünfzehn Dollar die Stunde.
    Ohne zu überlegen, öffnete ich die nächstbeste Bewerbung. »Also, die stammt von einer Frau, die zwei Jahrzehnte lang ein Theater am Broadway gemanagt hat.«
    »Überqualifiziert.«
    Ich öffnete eine andere Mail. »Hier bewirbt sich jemand mit einem Harvard-Abschluss in Landschaftsarchitektur, der für die Stadt drei Jahre lang Spielplätze entworfen hat.«
    »Überqualifiziert.«
    »Dann hat sich ein Schauspieler gemeldet, der eine Hauptrolle in Law&Order hatte. Und eine Frau mit einem Doktortitel in Mikrobiologie ... sie hat an der University of Pennsylvania promoviert.« Ich warf Mac einen Blick zu, der mich fassungslos anstarrte. »Das ist doch verrückt. Warum interessieren sich solche Leute für unser Job-Angebot?«
    »Denk an die Wirtschaftslage, Dummerchen.«
    Richtig. Der Wirtschaft ging es gerade überhaupt nicht gut, und all die vielen Bewerbungen von überqualifizierten Menschen stützten nur die Horrormeldungen, die Tag für Tag in den Nachrichten verkündet wurden.
    »Kann nicht dein Kumpel Dekker ein paar Millionen zugunsten von uns Normalbürgern lockermachen? Letzte Woche wurde gemeldet, dass Goldman Sachs einen Riesenprofit gemacht hat und die Gehälter und Boni wieder so üppig sind wie vor der Rezession.«
    »Ja, das habe ich auch gelesen.«
    Gerade als ich mich aus Macs Postfach ausloggte, kam eine weitere Bewerbung herein. »Da eine Auswahl zu treffen wird schwierig. Morgen versuche ich, mir einen groben Überblick zu verschaffen und eine Vorauswahl zu treffen. Die ganze Sache wird wohl aufwendiger als gedacht.«
    »Wir brauchen Hilfe, um eine Bürohilfe auszusuchen.« Als Mac Anstalten machte, über seinen eigenen Witz zu lachen, bekam er gleich den nächsten Hustenanfall. Ich gab ihm einen Kuss auf die heiße Stirn, verabreichte ihm noch eine Ibuprofen und verschwand im Badezimmer.
    * * *
    Zwanzig Minuten später lag ich in unserem sonnendurchfluteten Wohnzimmer auf dem Boden, während ich Ben auf den ausgestreckten Füßen balancierte und dabei seine Hände hielt. Er liebte es, wenn ich ihn so hin und her schaukelte, beinahe fallen ließ und in allerletzter Sekunde auffing.
    Als es unten an der Tür klingelte, ließ sich Ben kichernd auf meinen Bauch plumpsen.
    »Ich gehe schon!«, rief Chali, die in der Küche ihre E-Mails abrief. Da sie daheim keinen eigenen Computer hatte, benutzte sie meinen, um Kontakt mit ihrer Tochter zu halten.
    »Lass nur. Ich mache auf.« Ich erhob mich und ging zur Tür.
    Auf dem Weg nach unten hörte ich, wie Chali Ben abfing, der mir folgen wollte. »Halt, wir müssen erst deine Zeichenblöcke wegräumen. Oder willst du lieber ein Fort bauen?«
    Ich spähte durch den Spion. Zu meiner Überraschung stand Billy vor der Tür, die ich sogleich öffnete.
    »Morgen.« Er beugte sich vor und küsste mich auf die Wange. Er roch, als hätte er gerade geduscht und sich mit Rasierwasser eingerieben.
    »Hast du etwas Besonderes vor?«, erkundigte ich mich.
    »Ich hatte den Eindruck, dass ich mich gestern Nacht wie ein Idiot verhalten habe, und wollte mich für mein Verhalten entschuldigen.«
    »Du weißt aber schon, dass das nicht notwendig ist, oder? Möchtest du reinkommen?«
    In dem Moment sah ich, wie die Postbotin auf dem Bürgersteig vor unserem Haus anhielt. Sie griff in ihre große Tasche, kam die Stufen hoch und reichte mir mehrere Briefe. Dabei warf sie Billy, dessen Augenklappe oft Aufmerksamkeit erregte, einen flüchtigen Blick zu. Billy tat so, als nähme er keine Notiz von ihr.
    »Danke, Terry«, sagte ich.
    »Schönen Tag noch.«
    »Das wünsche ich Ihnen auch.«
    Ich schaute ihr hinterher, während sie die Treppe hinunterrannte und dann ihren Taschenwagen weiterschob. Als ich mich wieder Billy zuwandte, fiel mir auf, wie er das gegenüberliegende Haus musterte. Bei diesem Bauwerk handelte es sich um ein ganz gewöhnliches, vierstöckiges Backsteinhaus, das sich von allen anderen Häusern in unserer Straße kaum unterschied. Dennoch war an ihm etwas Besonderes: Auf dem Dach dieses Gebäudes hatte Billy bei einem Schusswechsel mit seiner Geliebten ein Auge verloren. Bislang hatte er jedes Mal, wenn er uns einen Besuch abstattete, so getan, als existiere dieses Haus gar nicht. Dass er es heute zum ersten Mal zur Kenntnis nahm und wie gebannt anstarrte, stimmte mich traurig. Was hätte ich darum gegeben, seinen Schmerz

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