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Karin Schaeffer 03 - Die stumme Zeugin

Karin Schaeffer 03 - Die stumme Zeugin

Titel: Karin Schaeffer 03 - Die stumme Zeugin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kate Pepper
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machen.
    »Bronchopneumonie«, verkündete Mac, als er schließlich mit einem Rezept aus dem Sprechzimmer kam. »Zusätzlich zur Grippe.«
    »Was habe ich dir gesagt?«
    Natürlich gab er nicht zu, dass ich recht behalten hatte, drückte mir jedoch zum Zeichen der Versöhnung das Rezept in die Hand. Ich brachte ihn nach Hause, besorgte das Medikament und verabreichte ihm eine doppelte Dosis davon. Dann packte ich ihn ins Bett und machte mich auf den Weg, um Ben vom Kindergarten abzuholen.
    Bald schon hastete ich wie von der Tarantel gestochen durch die Smith Street und kämpfte gegen die aufkeimende Panik an. Ich fühlte mich vollkommen überfordert von den Ereignissen. Grippe war eine Sache, aber jetzt auch noch Bronchopneumonie? In dem Moment musste ich an Chali denken, was meiner Furcht nur neue Nahrung verschaffte. Jedes Mal wenn ich vor meinem inneren Auge ihren toten Körper in dem blutroten Wasser sah, stockte mir der Atem. Doch Mac kam wieder auf die Beine; Chali hingegen würde ich nie mehr wiedersehen.
    Vor ein paar Jahren hatte ich auf einer Party zufällig gehört, wie mich jemand als »Mordmagnet« bezeichnete. Ich war schon im Begriff, dagegen zu protestieren, als ich mir eingestand, dass der Betreffende gar nicht so falschlag. Bis dahin hatten sich tatsächlich mehrere unnatürliche Todesfälle in meinem unmittelbaren Umfeld ereignet, und jedes Mal hatte ich alles in meiner Macht Stehende getan, das drohende Unheil aufzuhalten: Zuerst versuchte ich meine Familie zu schützen, und später setzte ich alles daran, meinen vermissten Ehemann zu finden. Wenn das Böse in mein Leben trat, konnte ich einfach nicht die Hände im Schoß falten, sondern musste mich zur Wehr setzen.
    Warum war ich jetzt wieder an diesem Punkt? Wieso mussten erneut Menschen in meinem direkten Umfeld eines gewaltsamen Todes sterben, wo endlich Ruhe eingekehrt war und mein Leben wieder halbwegs normal verlief?
    Da Mac und ich beruflich immer noch indirekt mit polizeilichen Ermittlungen und Gewaltverbrechen zu tun hatten, war die dunkle Seite nie weit weg. Doch im Unterschied zu früher waren wir heute nur Beobachter und nicht direkt Betroffene. Selbst der Mord, der Sonntagabend auf der Nevins Street verübt worden war, und die Dekker-Tragödie berührten uns nicht persönlich. In letzter Zeit hatte ich geglaubt, wieder auf festerem Boden zu stehen, doch Chalis Ermordung war persönlich. Ihr Verlust glich einer Unterströmung, die uns in die Dunkelheit zurückzog, von der ich geglaubt hatte, sie wäre inzwischen aus unserem Leben verbannt. Und nun schien es auf einmal so, als würde ich tatsächlich Gewaltverbrechen anziehen. Weshalb?
    Chali, die praktizierende Christin, hatte mir mal anvertraut, sie glaube an Karma und daran, dass die Handlungen der Vergangenheit über die Form der nächsten Wiedergeburt entschieden. Dass sie eine Halskette mit einem Kreuz trug und gleichzeitig über Karma sprach, amüsierte mich. Doch sie war in einer Hindu-Welt aufgewachsen und hatte unterschiedliche, zum Teil sogar gegensätzliche Glaubenssysteme in sich vereinigt. Da ich selbst keinem Glauben anhing, waren ihre philosophischen Widersprüche kein Problem für mich; im Gegenteil, sie machten Chali in meinen Augen nur noch liebenswerter. Sie war genauso komplex, skurril und aufrichtig wie der Rest der Menschheit; und diese verrückte Mischung sorgte dafür, dass auf der Welt manchmal alles glattging und dann auch wieder nicht. Wer war ich, dagegen aufzubegehren?
    Endlich erreichte ich den Kindergarten. Als ich die Eingangstür öffnete, quälte mich eine Frage: Weshalb hatte die an Karma glaubende Chali nicht sofort gekündigt, als sie von meinen Tragödien erfuhr? Immerhin zog ich Gewaltverbrechen an wie das Licht die Motten. Hatte meine Geschichte ihr keine Kopfschmerzen bereitet? Oder hatte die Christin in ihr sie zum Bleiben veranlasst?
    Kaum betrat ich das weihnachtlich geschmückte Spielzimmer, flog Ben in meine Arme. Ich drückte ihn an mich, küsste ihn und merkte, wie die Wärme seiner Wange, die meine Lippen berührten, mich für einen Moment meine Sorgen vergessen ließ. Meine Ausrede, die von ihm angebetete Chali läge wie Daddy mit Grippe im Bett und könne ihn deshalb nicht abholen, hatte er bislang widerspruchslos geschluckt. Doch früher oder später musste ich ihm reinen Wein einschenken oder zumindest eine geschönte Version der Wahrheit auftischen. Wie sollte ein Junge seines Alters so etwas verarbeiten? Ich beschloss, ihm bei

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