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Karin Schaeffer 03 - Die stumme Zeugin

Karin Schaeffer 03 - Die stumme Zeugin

Titel: Karin Schaeffer 03 - Die stumme Zeugin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kate Pepper
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Stecknadelkopfes geschrumpft. Entgeistert betrachtete er Chalis leblose Hülle.
    »Billy«, flüsterte ich.
    Er rührte sich nicht.
    »Schau mich an.«
    Keine Reaktion.
    »Komm.« Vergeblich versuchte ich, ihn wegzuziehen: Er war zur Salzsäule erstarrt.
    »Ich wollte das nicht.« Das Bedauern, das in seiner Stimme mitschwang, erschreckte mich. »Leider hast du mir keine Wahl gelassen.«
    »Verdammt noch mal!«, schrie La-a, die durch den Perlenvorhang gestürmt kam. »Mann, du bist echt ’ne Nummer.« Ich riss den Kopf zu ihr herum. Ihr besorgter Blick sagte mir, dass ihre rüden Worte nicht ernst gemeint waren. »Würdest du unseren Freund an die frische Luft bringen? Sofern es die in Brooklyn überhaupt gibt.«
    Sie wusste also Bescheid. Und wieso auch nicht? La-a verbrachte mehr Zeit mit ihm als ich, und die Symptome seines PTBS waren alles andere als unterschwellig.
    »Was ist mit ihm?«, hörte ich Vargas La-a fragen, während ich Billy am Ellbogen nach draußen führte.
    »Der Typ reagiert manchmal komisch«, erwiderte sie. »Sein gesundes Auge tränt ständig.«
    »Wieso trägt er diese Augenklappe?«
    Darauf antwortete sie nicht, sondern fragte: »Haben Sie hier das Sagen?«
    »So ist es.«
    »Ich bin Ladasha. La-a geschrieben. Und zwar mit Bindestrich.«
    Er kicherte, und dann konnte ich nicht mehr hören, was sie redeten, weil ich mit Billy bereits auf dem Treppenabsatz stand. Er bebte am ganzen Körper, sein Blick war starr. Ich drängte ihn weiter, dirigierte ihn vorsichtig die Stufen hinunter. Ein paar Polizisten zwängten sich an uns vorbei und musterten uns mit seltsamen Blicken. Unten auf der Straße steuerten Billy und ich auf die 5th Avenue zu, weg von dem ganzen Tohuwabohu. An der nächsten Straßenkreuzung gelang es ihm endlich, sich aus den Klauen der Vergangenheit zu befreien.
    »Es ist wieder passiert«, murmelte er.
    »Erinnerst du dich?«
    Er schüttelte den Kopf. »Hinterher fühle ich mich immer ganz mies. Dann weiß ich nicht, was sich abgespielt hat.«
    »Weißt du noch, was du gesagt hast?«
    »Was habe ich denn gesagt?«
    Er hatte mit Chalis Leichnam gesprochen. Ich wollte das nicht. Leider hast du mir keine Wahl gelassen. Diese verstörenden Worte konnte ich nicht laut wiederholen, zumal ich nicht die geringste Ahnung hatte, wie ich diese Aussage interpretieren sollte. Sonntagnacht hatte ich ihn zum ersten Mal in diesem Zustand erlebt. Doch da hatte er buchstabengetreu jene Worte wiederholt, die ihm über die Lippen gekommen waren, bevor Jasmine die Waffe auf ihn gerichtet und abgedrückt hatte. Seine heutige Äußerung, die für mich keinen Sinn ergab, war für mich wie eine Erinnerung aus einer anderen Realität, denn ich konnte mich nicht entsinnen, dass er an jenem Abend auf dem Dach Jasmine gegenüber etwas in der Art geäußert hatte.
    »Ich weiß nicht, was da abläuft«, gestand er. »Es fühlt sich an, als würde ich mich auflösen.«
    »Gleich nachdem du den Raum betreten hast, ist es passiert. Wenn du mich fragst, sind der Auslöser ...« Tote Frauen. Ich brachte es nicht über mich, diese Worte laut auszusprechen.
    »Ich kann mich nicht entsinnen, was ich gesehen habe. Wie schlimm war es?«
    »Sehr schlimm.«
    »Ausgerechnet Chali.« Er schüttelte den Kopf. »Sie entspricht doch gar nicht seinem Opferschema.«
    »Bislang waren all sein Opfer Prostituierte.«
    »Eventuell handelt es sich um einen Nachahmungstäter. Was, wenn da draußen noch ein anderer Verrückter rumläuft, der sich die gleichen Jagdmesser besorgt hat?«
    »Hast du mir nicht erzählt, sie würden schon seit Jahrzehnten nicht mehr hergestellt?«
    »Vielleicht über eBay?« Er rieb sein Auge. »Könnte doch sein, oder?«
    »Zu gern wüsste ich, was Abby gesehen hat.«
    Er warf mir einen Blick zu. Sein linkes Auge war von roten Äderchen durchzogen.
    »Als ich Montagabend nach Hause gekommen bin, wollte Chali etwas mit mir besprechen. Es schien wichtig zu sein. Mist, ich war einfach zu müde und habe das Gespräch auf den nächsten Tag verschoben.«
    »Hast du eine Idee, was ihr auf dem Herzen lag?«
    »Nein.«
    Gemeinsam schlenderten wir wieder zurück und standen in der Kälte ganz nah beieinander, als Chali aus dem Haus gebracht wurde. Detective Vargas kam zu uns und versuchte, mit seinem Atem die Hände zu wärmen. Zwei Männer schoben den Leichnam – der Reißverschluss des schwarzen Leichensacks war inzwischen geschlossen worden – in den Krankenwagen und verriegelten rasch die Türen, weil es

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