Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Karin Schaeffer 03 - Die stumme Zeugin

Karin Schaeffer 03 - Die stumme Zeugin

Titel: Karin Schaeffer 03 - Die stumme Zeugin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kate Pepper
Vom Netzwerk:
Gelegenheit zu erzählen, dass sie weggegangen war, und konnte nur hoffen, dass er mich nicht nach ihren Beweggründen oder dem Zeitpunkt ihrer Rückkehr fragte.
    Gemeinsam verließen wir das Gebäude. Draußen auf der Straße brodelte das Leben, auch die drei Musketiere waren wieder unterwegs. Sie flanierten die Smith Street hinunter und schnatterten wie eine Horde Teenagermädchen.
    Auf dem Heimweg erledigte ich ein paar Weihnachtseinkäufe und schlug gleich zwei Fliegen mit einer Klappe: Ich unterstützte die Geschäfte in meinem Viertel und erstand ein paar besondere Geschenke als Ergänzung zu all den anderen Dingen, die ich bereits online bestellt hatte. Ein Großteil wurde direkt nach L. A. geschickt, doch das eine oder andere Stück mussten wir mitnehmen. In einer Woche würden wir fliegen, und bis dahin sollte Mac laut Dr. Velasquez’ Prognose wieder halbwegs auf den Beinen sein.
    Während Ben und Mac Mittagsschlaf hielten, überflog ich noch ein paar Bewerbungen und rang mich zu einer Entscheidung durch. Ich hatte bereits mit zwei Kandidatinnen Gespräche geführt, die beide einen guten Eindruck hinterlassen hatten – eine von ihnen würde ich nehmen.
    Als ich beinahe damit fertig war, die E-Mails des heutigen Tages zu sichten, traf eine neue in meinem Posteingang ein. Mein Herz machte einen Freudensprung, als ich Dathis Namen las.
    Liebe Karin,
über Ihre Nachricht habe ich mich sehr gefreut. Ich hätte Ihnen schon eher schreiben sollen, denn Mami hat sich nicht bei uns gemeldet. Ich wohne jetzt bei Onkel Ishat und habe schlechte Nachrichten: Meine liebe Omi ist am Dienstag an einem Herzinfarkt gestorben. Wir haben sie heute beerdigt. Mami weiß noch gar nicht, dass sie tot ist. Ich weiß nicht, ob es gut wäre, wenn Sie es ihr erzählen. Auf der anderen Seite möchte ich auch nicht, dass Onkel Ishat sie informiert, denn er ist nicht sehr nett. Am besten wäre es wahrscheinlich, wenn ich mit ihr rede. Oder soll ich damit warten, bis ich in New York bin? Was meinen Sie? Dann könnten wir uns gegenseitig trösten. Im Haus meines Onkels darf ich nicht weinen. Ich bin hier ziemlich unglücklich, was nicht so schlimm ist, denn bald gibt es ja ein Wiedersehen mit meiner Mutter.
Richten Sie ihr bitte aus, meinen Onkel anzurufen. Hier ist seine Telefonnummer.
Dathi
    Bedauerlicherweise hatte sie vergessen, die Nummer einzufügen. Leicht frustriert machte ich mich daran, ihr zu antworten, doch dann ging eine weitere Mail von ihr mit der fehlenden Information ein, die ich gleich in meinem Handy abspeicherte. Auch wenn ich ihr am Telefon gewiss nicht erzählen würde, dass ihre Mutter gestorben war, musste ich doch Dathi wissen lassen, dass es in der großen weiten Welt jemanden gab, der an sie dachte – so wie sie mir mit ihrem Gedicht das Gefühl gegeben hatte, nicht ganz allein zu sein. Jetzt, wo das arme Mädchen Mutter und Großmutter verloren hatte und notgedrungen bei ihrem Onkel lebte, konnte es nicht schaden, wenn sie wusste, dass sie auf mich bauen konnte.
    Erst als es am anderen Ende der Leitung läutete, fiel mir ein, dass es in Indien fast Mitternacht war. Ich wollte schon auflegen, doch dann meldete sich Ishat, und mir blieb gar nichts anderes übrig, als mich vorzustellen.
    »Ach ja«, sagte er. »Meine Schwester hat oft von Ihnen gesprochen.«
    Ich hingegen wusste kaum etwas über ihn. Chali hatte nur selten ein Wort über ihn verloren – und wenn, dann hatte sie sich immer bitterlich über ihn beklagt. Laut Chalis Schilderungen, die sich seit ihrer Übersiedlung in die Staaten den Mund nicht mehr verbieten ließ, waren indische Männer durch die Bank frauenfeindlich. Obwohl sie ihn nicht sonderlich geschätzt hatte, rang ich mich zu einer Lüge durch.
    »Ja, sie hat mir auch von Ihnen berichtet, und zwar nur Gutes.«
    »Dass sie Gutes über Sie erzählt hat, habe ich nicht gesagt, Madam«, entgegnete er und lachte höhnisch. »Wie auch immer, ich bin froh, dass Sie sich melden. Wir konnten meine Schwester nicht erreichen. Sie hat auf keine meiner Nachrichten reagiert, die ich ihr auf dem Anrufbeantworter hinterlassen habe.«
    Sollte ich ihm mitteilen, dass Dathi mir gerade gemailt hatte? Besser nicht. Dass eine Zwölfjährige um diese Uhrzeit noch auf war, gefiel einem herrischen Typen wie ihm bestimmt nicht.
    »Der Grund, weshalb ich Sie anrufe -«
    Er fiel mir ins Wort, ehe ich die traurige Nachricht übermitteln konnte.
    »Ich wollte Chali wissen lassen«, sagte er, »dass unsere Mutter von uns

Weitere Kostenlose Bücher