Karl der Dicke beißt sich durch
ihr, was dabei zu verdienen ist!“
„Dazu brauchen wir doch keinen Hund“, sagte Karl grinsend. „Dir glaubt man auch so, daß du ein perfekter Nachtwächter bist.“
Die Annahmestelle für Anzeigen war schon geschlossen. Sie mußten sich bis Montag gedulden.
„Macht nichts“, erklärte Guddel, „bei drei bis vier Monaten haben wir den einen Tag über.“
„Du bist gut“, rief Egon. „Es dauert doch mindestens eine Woche, bis die ersten Aufträge eintrudeln!“
Aber darin irrte er sich.
Schon am Dienstagnachmittag konnten sie in der Schalterhalle der Zeitung zwei Angebote in Empfang nehmen, die für ihre Kennummer abgegeben worden waren. Das eine war in ungelenker, zittriger Handschrift auf rosa Papier, das andere dagegen mit der Schreibmaschine korrekt auf einen weißen Briefbogen geschrieben. „Los, Guddel, lies vor, wer sich da so um uns reißt!“ rief Karl ungeduldig. „Ich kann vor Neugier kaum noch Luft kriegen.“
Guddel zögerte auch nicht lange. Er überflog die ersten Zeilen des rosaroten Briefes und begann dann halblaut zu lesen:
Liebe junge Freunde!
Ich bin eine alte Frau und kann nicht mehr so recht, und mein Mann, der sonst immer alles gemacht hat, ist schon lange tot, er hatte es auf der Brust, und das war nicht leicht für ihn! Und für mich auch nicht. Weil daß er sehr gelitten hat in der letzten Zeit. Und nun hab ich wieder Holz gekriegt, einen ganzen Lastwagen voll, zum Verbrennen, weil ich doch Rentnerin bin und einen Ofen habe für den Winter und keine Heizung mit öl, das wäre für mich ja viel zu teuer! Und außerdem weiß man ja nie, ob nicht bald wieder eine Krise kommt, und das öl wird knapp und alle müssen frieren, arm und reich, das ist ja wenigstens Gerechtigkeit.
Ich habe das Holz in den Hof kippen lassen, das mache ich jedes Jahr. Mein Mann, der hat da auf der Werft gearbeitet, der hatte gute Beziehungen zu Holz, der hat da immer für gesorgt, daß wir einen Lastwagen voll bekamen, jeden Winter, manchmal auch schon im Sommer.
Jetzt ist er ja tot, aber das Holz kommt immer noch, weil daß ich ja noch lebe, und ein Mensch friert auch, wenn er alleine ist! Sogar noch mehr, weil er niemanden hat zum Wärmen. Mankows wollen aber nicht das Holz immer auf dem Hof haben, sie kommen da mit ihrem Auto so schlecht vorbei, sie haben ein ganz neues, das ist rot und hat ein schwarzes Verdeck, und Herr Mankow kann noch nicht so gut fahren. Und darum muß das Holz schnellstens kleingemacht und auf den Dachboden gebracht werden. Mankows können das verlangen, weil das Haus jetzt ihnen gehört, sie haben es mir abgekauft auf Rentenbasis und bezahlen mir jeden Monat eine Rente dafür, nicht viel, aber es geht so hin. Zum Glück hatte mein Mann, als er noch lebte und Schiffbauer war, immer regelmäßig Invalidenmarken geklebt, darum kriege ich jeden Monat auch noch von der Versicherung etwas. Und wenn jetzt das Holz kleingehackt und auf den Boden gebracht ist, geben mir die Mankows auch wieder Ruhe, dann kann der Winter kommen, und ich muß nicht frieren und mich nicht mit den Mankows streiten. Die sind ja sonst ganz nett, aber sehr für sich und haben keinen Kontakt mit mir, sitzen immer nur allein da in ihrem Wohnzimmer und wollen nicht gestört werden. Na ja, jeder hat so seine Art, mein Mann war da ganz anders, der war gesellig, da hatte ich nie Langeweile. Herr Mankow kann das Holz nicht hacken, er hat zu feine Finger für so grobe Arbeiten, er ist im Büro, und seine Frau arbeitet als Schneiderin außer Haus, die kann das auch nicht, ist ja schließlich auch keine Frauenarbeit.
Können Sie kommen und das Holz hacken? Ich bezahle auch was dafür!
Herzliche Grüße
Ihre Mathilde Gensler
Bockhorner Weg
Guddel ließ den Brief sinken und sah seine Freunde an. „Das soll doch wohl ein Witz sein!“ rief Egon. „Meint die gute Dame etwa, daß wir uns mit ihrem Holz abquälen und sie uns mit ‘nem Ei und ‘nem Butterbrot abspeisen kann? Ich glaube, dem Angebot sollten wir keine weitere Beachtung schenken. Wir wollen schließlich Geld verdienen. Für eine gute Sache Geld verdienen! Da kommt so etwas gar nicht in Frage.“
Guddel biß sich auf die Unterlippe und sagte: „Wenn wir der Alten das Holz hacken, ist das eine gute Tat, und wenn ich mich recht erinnere, waren wir doch noch vor einigen Tagen ganz wild darauf, von guten Taten zu hören, um unsere Zeitung damit füllen zu können. Hier bietet sich uns nun die Gelegenheit, gleich doppelt Gutes zu tun, einmal der
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