Karl der Dicke beißt sich durch
haben, ist Mitternacht!“
Karl tippte sich an den Kopf.
„Wir klappern doch nicht jedes Haus ab, du Weihnachtsmann!“ rief er. „Wir gucken nur, wo im Hof ein Haufen Holz liegt, da sind wir richtig.“
Tatsächlich fanden sie auf diese Weise das Haus der alten Frau Gensler ohne langes Suchen. Es war ein kleines Einfamilienhaus mit einem schmalen Vorgarten, in dem über 50 Rosen in allen Farben zur Straße hinübergrüßten. Links vom Haus war eine Garagenzufahrt, und auf der lag ein großer Haufen Schnittholz, Abfälle, die bei Tischler- und Zimmererarbeiten übrigbleiben.
„Da sind wir ja schon!“ rief Karl, der vorne fuhr. „Mensch, wenn wir uns durch den Berg durchgefressen haben, brauchen wir bestimmt ‘nen fünfwöchigen Erholungsurlaub, das ist ja eine Unmenge!“
„Wir können uns doch Zeit lassen“, sagte Egon. „Je länger es dauert, desto mehr verdienen wir.“
Sie stellten die Räder an den Zaun und klingelten. Im Hause blieb alles ruhig.
„Nun sag bloß, die Oma ist verreist!“ flüsterte Karl. „Dann werde ich aber ungemütlich.“ Er drückte noch mal auf den Klingelknopf, diesmal doppelt so lange. Daraufhin hörten sie Geräusche im Hause, und wenig später fragte eine zittrige Stimme von sehr weit her, wer denn da sei und was er wolle.
„Hier sind die drei Freunde, die Ihr Holz hacken wollen“, antwortete Karl.
„Oh, das ist aber schön“, kam es zurück. „Dann kommen Sie man rauf, die Tür ist offen!“
Kar] drückte die Klinke nieder.
„Nee“, rief er, „die Tür ist abgeschlossen!“
„Nein“, tönte es von oben, „sie klemmt nur ein wenig. Stoßen Sie mal ein bißchen kräftiger!“
Da holte Karl aus und rammte seine Schulter gegen die Tür. Die gab sofort nach, und er flog in den winzigen Flur. „Tatsächlich“, sagte er, sich aufrappelnd, „sie war offen! Guten Tag denn auch.“
Oben an der Treppe stand eine alte Dame mit rabenschwarzem Haar.
„Guten Tag“, antwortete sie. „Bitte, kommen Sie nur herauf!“
Karl drehte sich um und feixte.
„Sie meint mich“, flüsterte er seinen Freunden zu. „Wenn sie euch zuerst gesehen hätte, wäre ihr das ,Sie’ nicht über die Lippen gekommen.“
Hintereinander stiefelten sie nach oben.
„Oh, ihr seid ja noch so jung!“ rief Frau Gensler erstaunt, als sie die drei nun aus der Nähe sah. „Ihr geht wohl noch zur Schule, was?“
„Ja“, antwortete Guddel, „aber zur Zeit haben wir gerade Ferien, und darum können wir Ihnen das Holz hacken und ins Haus tragen.“
„Ach, ja, richtig, ihr wollt das Holz hacken!“ rief Frau Gensler. „Das ist ja reizend von euch. Aber sagt mal, woher wißt ihr denn, daß ich Holz gekriegt habe? Darüber habe ich doch mit niemandem gesprochen!“
Die Jungen sahen sich verblüfft an.
„Durch Ihren Brief natürlich“, sagte Guddel, „hier!“ Und er hielt der alten Dame den rosaroten Brief hin. Die nahm ihn, überflog ein paar Reihen und murmelte: „Richtig, den hab’ ich ja geschrieben! Mein Gott, ich werde auch immer vergeßlicher!“ Sie blickte die Jungen an und schüttelte kaum merklich den Kopf. „Dann kommt man rein, damit wir die Sache besprechen!“ Damit wandte sie sich um und ging ihnen voran in ein kleines Wohnzimmer. „Setzt euch bitte. Mögt ihr was trinken? Ich habe noch ein wenig Milch und Sprudel ohne Geschmack.“
„Oh, machen Sie sich unseretwegen keine Umstände!“ rief Karl, für den geschmackloser Sprudel das Letzte und Milch auch nicht gerade das Erste war. „Wir wollen so schnell wie möglich anfangen, damit die Garageneinfahrt wieder frei wird. Haben Sie denn drei Beile und einen Hauklotz?“
„Ja, ja“, antwortete Frau Gensler, „ich denke, schon. Im Keller ist alles, was ihr braucht. Mein Mann hat das ja immer gemacht, als er noch lebte. Ich hab es auch schon mal versucht, aber ich kann es nicht. Und unser Sohn ist in Kanada, der kann auch nicht helfen.“
Sie nickte abwesend.
„Wartet mal, mögt ihr denn vielleicht einen Schnaps trinken? Einen echten französischen Cognac? Den habe ich zum fünfundsiebzigsten Geburtstag von den Damen und Herren der Altentagesstätte bekommen. Ab und zu genehmige ich mir einen, der wärmt so schön durch, und man fühlt sich dann so richtig wohl. Oder dürft ihr noch keinen Alkohol?“
„Von dürfen wollen wir hier mal nicht reden“, sagte Egon. „Wenn’s danach ginge, müßten wir den ganzen Tag Buttermilch und Pfefferminztee trinken, aber aus französischem Cognac machen wir uns
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