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Karl der Dicke beißt sich durch

Karl der Dicke beißt sich durch

Titel: Karl der Dicke beißt sich durch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Werner Schrader
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nichts, der hat so einen komischen Nachgeschmack, nicht, Karl?“
    „Ja“, rief der, „so ‘n ganz ekelhaften Nachgeschmack hat der, und darum sind wir eigentlich mehr für deutsche Biere, ganz egal, welche Sorte, es darf auch ruhig dunkel sein.“
    „Soso“, sagte Frau Gensler, „deutsche Biere, aha. Mein Mann trank auch so gerne Bier.“
    Guddel, der sich in dem altmodisch eingerichteten Zimmer umgesehen hatte, wies mit dem Finger auf eine verschnörkelte Wanduhr, einen Regulator, und sagte: „Die Uhr ist wohl nicht mehr in Ordnung, was?“
    „Nein“, antwortete Frau Gensler, „die ist schon lange kaputt. Bei der nächsten Sperrmüllabfuhr kommt sie weg und die andern alten Sachen, die ich noch auf dem Boden habe, auch. Man kommt ja um vor Gerümpel, nicht?“
    „Ja, ja“, bestätigte Egon, „das ist bei uns zu Hause genauso.
    Man schafft immer Neues an und kann sich von den alten Klamotten nicht trennen, und eines Tages ist das Haus zu klein für den ganzen Plunder, den man jahrelang aufgehoben hat. Mein Vater ist da ja rigoros, der möchte alles verbrennen, aber meine Mutter hebt jedes Stück auf. Wer weiß, was noch für Zeiten kommen, sagt sie immer. Vielleicht sind wir noch einmal froh, daß wir so viele Dinge auf dem Boden haben. Das kann man dann alles den Bauern bringen, wie im letzten Krieg, und bekommt Speck und Butter dafür.“
    „Oh ja“, rief Frau Gensler, „Speck und Butter und manchmal auch ein paar Eier! Eine schlimme Zeit war das damals. Wir sind oft zusammen losgefahren, mein Mann und ich, mit dem Fahrrad. Und da waren gar keine Schläuche mehr drauf, es gab ja nichts! Mein Mann hatte unsern Gartenschlauch zerschnitten und mit Draht an den Felgen befestigt. Das ging zur Not, aber es stuckerte mächtig. Einmal bekamen wir für die goldene Taschenuhr meines Mannes 20 Eier und einen ganzen Schweineschinken! Das war eigentlich viel zuwenig, aber uns war es viel mehr wert als die Uhr. Ach, was haben wir uns auf Spiegeleier mit Schinken gefreut! Als wir dann durch Lesum fuhren, nahm uns eine Polizeistreife den Schinken und alle Eier ab und drohte uns noch mit Verhaftung und Zuchthaus. Wir hatten wochenlang Angst und fingen jedesmal an zu zittern, wenn es an der Tür klingelte. Aber dann wurden wir doch nicht abgeholt. Vermutlich haben die Polizisten den Schinken selber behalten und aufgegessen, die hatten ja auch nichts.“
    Die alte Frau nickte still vor sich hin und war mit ihren Gedanken tief in der Vergangenheit. Erst als draußen ein Auto mit quietschenden Bremsen hielt, eine Tür geöffnet und knallend wieder zugeschlagen wurde, schüttelte sie die Erinnerung ab wie einen Traum.
    „Oh, Herr Mankow ist da!“ rief sie. „Gleich wird er wieder schimpfen, daß das Holz immer noch nicht weggeräumt ist!“
    „Na, dann gehen wir am besten runter und fangen an“, sagte Karl.
    Vor der Garage fanden sie den Hauswirt damit beschäftigt, einige Stücke Holz, die ihm die Zufahrt versperrten, auf den Stapel zu werfen. Sie hörten, wie er leise vor sich hin grummelte.
    „Lassen Sie das Holz man liegen, Herr Mankow!“ rief Frau Gensler.
    „Diese jungen Männer hier werden jetzt alles kleinhacken und auf den Dachboden tragen.“
    Herr Mankow richtete sich auf, warf den Jungen einen kurzen Blick zu und knurrte: „Das wird auch höchste Zeit! Man beschädigt sich ja den ganzen Wagen!“ Mit dem Fuß stieß er noch zwei Stücke Holz näher an den Stapel heran, stieg dann in sein Auto und fuhr sehr langsam in die Garage hinein.
    „Paßt auf, daß ihr nicht den Rosen zu nahe kommt, wenn ihr das Holz ins Haus tragt“, sagte er, als er an den Jungen vorbei nach vorne ging.
    „Och, da machen Sie sich man keine Gedanken“, rief Karl, „wir sind nicht so empfindlich und können eine ganze Menge vertragen.“
    „Das glaub’ ich“, brummte Herr Mankow, „aber meine Rosen nicht!“
    Damit verschwand er im Haus.
    „Mann, das ist aber mal ein freundlicher Mensch“, sagte Egon. „Bei dem möchte ich nicht wohnen!“
    Frau Gensler seufzte, ohne zu antworten, woran die Jungen merkten, daß sie auch lieber einen andern Menschen im Haus gehabt hätte.
    „Los“, drängte Karl, „fangen wir an, damit das Ärgernis aus der Welt geschafft wird!“
    Sie gingen mit der alten Dame in den Keller hinunter und fanden dort in einem ausgedienten Kleiderschrank eine schwere Axt, mit der man afrikanische Riesenbäume hätte fällen können, ein leichtes Handbeil und einen völlig verrosteten Fuchsschwanz.

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