Karl der Dicke & Genossen
brodeln?“ fragte Guddel und leckte sich einen Spritzer vom Finger.
„Nur einmal kurz aufkochen“, belehrte Karl ihn. „Au, der wird schön dick! Paß auf, wenn du Blasen siehst, dann ist er nämlich gut.“
Da kam Egon zurück. Er hatte seine Hose in einem Bach gewaschen und sie auf ein Stöckekreuz gespannt. Das hängte er nun an einen Zweig. Dann trat er zu den beiden anderen.
„Na“, fragte er herausfordernd, „noch nicht fertig? Hoffentlich habt ihr Salz zugetan, sonst schmeckt der Kram wie eingeschlafene Füße.“
„Salz an Pudding, du Witzbold, dann können wir ja gleich Pfeffer und Senf nehmen“, sagte Guddel.
„Los, hol mal den Zucker!“ rief Karl. Den hätte er beinah vergessen. Nun schüttete er ein Viertelpfund hinein und rührte den dicken, zähen Brei noch ein paarmal um. Dann nahm er ihn vom Feuer, zog sein Taschentuch heraus, faßte damit einen Henkel an und goß erst einmal seinen eigenen Teller bis zum Rand voll.
„Der brave Mann denkt an sich selbst zuerst!“ sagte Egon hungrig. Er hatte seinen Blechteller auf die bloßen Beine gestellt und wartete auf seinen Anteil. Aber Guddel wurde vor ihm bedient. Dann endlich goß Karl auch seinen Teller voll.
„Verflixt!“ schrie Egon, warf den Teller in hohem Bogen von sich und rieb sich die verbrannten Oberschenkel. „Hallo“, sagte Karl ungerührt, „wieder mal ein kleines Ballspiel mit Lebensmitteln?“ Auch er und Guddel hatten die Teller auf ihren Beinen stehen, aber erstens hatten sie Porzellanteller und zweitens feste Hosen an, während Egon zur Zeit nur eine weiße Turnhose trug.
Zu Guddel gewandt, sagte Karl: „Egons Bocksprünge beweisen wieder einmal treffend, daß ein Porzellanteller einem aus Blech unbedingt vorzuziehen ist. Erstaunlich, wie leichtfüßig Egon sich zu bewegen versteht, wenn es verlangt wird. In der Schule springt er nicht halb so hoch.“ Guddel hatte vor Lachen noch keinen Löffel gegessen.
Egon hatte sich inzwischen an den Schmerz gewöhnt und suchte seinen Teller wieder. Der Brei war so zäh, daß er nicht ausgelaufen war. Diesmal legte Egon einige Zweige auf seine Schenkel, bevor er den Teller draufstellte. „Scheibenkleister!“ murrte er.
„Ach, darum hast du ihn eben weggeworfen“, spottete Karl. Obwohl sie reichlich drei Liter gekocht hatten, ließen sie nichts übrig. Sie waren dann so voll, daß sie sich kaum bewegen konnten, und beschlossen darum, eine längere Pause einzulegen. Träge schoben sie ihre Räder weiter in den Wald und streckten sich auf einem weichen, schattigen Grasplatz behaglich aus.
Ein Gesumme von tausend Insekten war in der Luft. Fern hörte man den Verkehr. Die Jungen lagen auf dem Rücken und sahen dem Lichtspiel der zarten Buchenblätter hoch über ihnen zu. Keiner sprach. Nach wenigen Minuten schliefen sie fest.
Der Nachmittag verstrich, die Schatten wurden länger. Ein streunender Hund bellte kläglich, als er an ihr Lager kam. Aber das erweckte sie nicht. Erst als es sich merklich abkühlte, wurden sie unruhig.
Plötzlich fuhr Egon mit einem Ruck in die Höhe und war hellwach. Er hatte doch Stimmen und Schritte gehört? Schnell weckte er die andern beiden. Nun saßen sie alle im dämmerigen Wald und lauschten angespannt. Nach einer Weile tippte sich Guddel an den Kopf und sagte: „Warum soll hier im Wald nicht jemand sein und reden? Haben wir ihn etwa gemietet?“
„Da haste auch recht!“ stimmte Karl zu. Und um zu zeigen, daß er keine Angst hatte, stimmte er laut sein Lieblingslied an „Oh, wie ist es kalt geworden!“ Diesmal paßte es sogar. Wenn auch nicht gerade rauhe Winde von Norden wehten, so war es doch empfindlich kühl.
„Nun hör schon auf!“ rief Egon. „Du lockst uns ja die Raubtiere auf den Hals.
Tatsächlich! Was brach da hechelnd und geifernd durchs Unterholz? Ein Rudel Wölfe! Egon versteckte sich hinter Karl. Nein, ein ganzes Rudel war es nicht, nur einer, ein Einzelgänger also, und die sind ja bekanntlich besonders gefährlich. Wie die schwere Rute am Boden hing! Wie ihm die Gier aus den blutunterlaufenen Triefaugen schaute! Wie ihm der Schaum vor dem Riesengebiß stand! Und jetzt setzte er zum Sprung an!!
Noch nie war Egon so klein gewesen! Kaum eine Handvoll, kauerte er hinter Karls breitem Rücken und hoffte nur, der Wolf möchte sich schon an Karl dem Dicken satt fressen und auf ihn, an dem ja ohnehin nicht viel dran war, keinen Appetit mehr haben. Aber Egon täuschte sich. Wölfe sind nämlich unberechenbar. Dieser war
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