Karl der Dicke & Genossen
doch keinen Butterkuchen“, sagte Egon in einem Ton, als ob man von ihm verlangt hätte, er solle seine Socken aufessen. „Mir geben Sie bitte zwei Stücke von der Kirschtorte da!“
„Egon braucht was, um seine Gelenke zu schmieren“, sagte
Karl. „Hoffentlich hilft’s.“ Und zu der Verkäuferin: ..Also dann für uns eine viertel Platte, bitte.“
Unter einem mächtigen Eichbaum stand eine Bank. Auf die setzten sie sich und begannen ihr zweites Frühstück. „Weißt du, was ich werde, wenn ich aus der Schule komme?“ fragte Karl mit vollem Munde. „Kuchenschmecker!“
„Was ist denn das für ‘n Handwerk?“ fragte Guddel. „Na, du kennst doch Kaffeeschmecker“, klärte Karl ihn auf, „Leute, die alle Sorten Kaffee probieren müssen, aus Brasilien, Mittelamerika und so weiter, um die beste herauszufinden. Und Kuchenschmecker, das sind Geschmacksspezialisten aus der Teig- und Hefebranche, die dir todsicher sagen können, aus welcher Bäckerei der beste Kuchen kommt.“ Egon wickelte mit spitzen Fingern seine Kirschtorte aus, die aus wenig Teig, einigen Kirschen und sehr viel Sahne bestand.
Geringschätzig blickte er auf den Butterkuchen in den Händen seiner Freunde und fragte: „Schmeckt euch denn das Armeleutefutter?“
„Es ist genießbar“, antwortete Karl.
Egon nahm vorsichtig ein Tortenstück in die Hand und biß hinein. Als er es wieder absetzte, sah er aus wie ein Stummfilmheld, dem man eine Portion Sahne ins Gesicht geworfen hatte.
Karl grinste und sagte: „Feine Eßmanieren hast du, das muß man dir lassen. Weißt du Unmensch gar nicht, daß man Torte mit einer Gabel ißt?“
Klacks! da fiel Egon das zweite Stück auf die Hose, und als er es retten wollte, weiter auf den Schuh.
„Ja, als Schuhcreme kann man so was auch nehmen“, kommentierte Karl, „nur mußt du mit weichem Lappen gut nachpolieren.“
Egon versuchte möglichst viel zu retten. Den Rest trat er schwungvoll weg.
Klatsch! da klebte er an der Schaufensterscheibe.
„Tor!“ schrie Karl. „Eins Null für Kickers Wackelbein!“ Guddel verschluckte sich vor Lachen.
Egon wischte sich mit einem Papiertaschentuch Gesicht, Hände, Hose und Schuh ab und stand auf.
„War sowieso nicht viel dran“, sagte er verärgert. „Und nun wollen wir die junge Dame mal ins Verhör nehmen. Kommt mit! Aber quatscht mir ja nicht quer dazwischen, wenn ich meine Fragen stelle! Das Tonband ist unbestechlich und registriert alles, was gesprochen wird. Hier, Guddel, du trägst das Tonbandgerät. Häng es dir über die Schulter. Du kennst dich ja aus damit. Nur diese beiden Tasten drücken: ein und aus. Und du, Karl, hältst abwechselnd der Tante und mir das Mikrophon vor die Nase, immer dem, der spricht, das dürfte wohl klar sein.“
„Womit willst du denn anfangen?“ fragte Guddel neugierig. „Mit einem zeitgemäßen Problem“, antwortete Egon. „Warte ab, du wirst es gleich hören.“ Er öffnete die Campingtasche auf seinem Gepäckträger und fischte ein weißes Pappschild hervor, das er sich mit der daran befestigten Schnur um den Hals hängte.
Guddel und Karl lasen staunend, was darauf stand: Radio Bremen - Jugend aktuell! Wir fragen — Sie antworten!“
„ Donnerwetter, Egon hat sich ja gut vorbereitet!“ bemerkte Karl voll Bewunderung. Egon winkte ab.
„Nichts als Routine“, sagte er. Und schon öffnete er die Ladentür. Die junge Dame brachte gerade einen Armvoll frischer Brote herein.
„Na“, fragte sie, „noch nicht satt?“
„Doch, doch!“ sagte Egon. „Völlig! Wir kommen diesmal aus einem andern Grund. Wie Sie auf dem Schild lesen, sind wir Mitarbeiter von Radio Bremen. Wir möchten Ihnen ein paar Fragen stellen und bitten um ehrliche Antworten. Unser Techniker hier schneidet alles auf Tonband mit. Später wird daraus eine Sendung gemacht und ausgestrahlt. Sie brauchen aber keine Angst zu haben, Ihr Name wird nicht genannt.“
Die Verkäuferin hatte die Brote in ein Regal geordnet und strich sich nun die Schürze glatt.
„Ich weiß gar nicht, ob ich das kann“, sagte sie, „ich habe so was noch nie gemacht.“
„Es ist nichts dabei“, sagte Egon. „Sie sprechen wie immer, alles andere machen wir.“
„Na, dann man los, aber bitte nicht so kluge Fragen, ich habe nur die Volksschule besucht.“
„Nur Mut“, tröstete Karl, „unser Redakteur ist letztes Jahr auch sitzengeblieben.“
„Laß deine dummen Scherze!“ rief Egon böse. Er wandte sich an Guddel und sagte feierlich und
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