Karl der Dicke & Genossen
„Gestatten Sie, daß ich den Anfang mache?“ fragte er und zwängte schon, ohne die Antwort abzuwarten, der ersten Kuh eine der hohen Kannen unter das Euter. „Ich kann nämlich auch melken.“
Die Kuh war aber anderer Meinung. Sie schaute sich erstaunt um, schlug ihm gutmütig ihren Schwanz um die Ohren und tappte vier Schritte weiter. Da nahm die Frau einen Melkeimer und einen Melkbock und setzte sich unter die nächste.
„Steh, Liese!“ sagte sie. Und nun sah Guddel, wie man es machte. Schäumend spritzte die Milch in den Eimer. „Donnerwetter, Sie haben den Bogen aber fein ‘raus“, sagte er anerkennend.
„Ich hab’ mehr Übung als du“, antwortete die Frau lachend. „Kann man die Milch jetzt schon trinken, oder muß sie erst in die Molkerei?“
„Unsere Kühe sind Tbc-frei“, sagte die Frau.
„Können Sie mir nicht fünf Liter verkaufen?“
„Du hast aber großen Durst.“
„Die Milch ist nicht für mich allein. Wir sind zu dritt. Und für drei Mann sind fünf Liter gerade die richtige Menge.“
„Hast du denn einen Topf?“ fragte die Frau.
„Ich hole schnell einen!“
Zwei Minuten später hielt er der Frau den großen Topf hin, an dessen Innenwand der Schokoladenpudding angetrocknet war.
„Macht nichts“, sagte Guddel, als die Frau kritisch die Augen zusammenkniff.
„O doch“, sagte sie, „so brennt euch ja die Milch an.“ Sie riß ein Grasbüschel aus, goß aus einer Kanne Wasser in den Topf und scheuerte ihn mit viel Sand sauber. Dann spülte sie ihn gründlich nach. Guddel hatte was dazugelernt. Die Frau spannte nun ein weißes Tuch über den Topf und goß die Milch hinein.
„Hm, sieht die lecker aus!“ sagte Guddel. „Was bin ich schuldig?“
„Nichts“, sagte die Frau, „weil du mir so schön das Rad geschoben hast.“
Da bedankte sich Guddel vielmals und verschwand. Jetzt hatte er es eilig. Die beiden würden Augen machen!
„Na, haste den Pott ausgewaschen?“ fragte Karl, als er mit dem vollen Topf zur Feuerstelle kam.
„Ja, mit Milch“, sagte Guddel und stellte stolz den Topf auf die Erde. „Guck, er ist voll bis zum Rand!“
„Du bist aber schwer auf Draht“, sagte Karl anerkennend. „Wie haste denn das hingekriegt?“
„Kleiner Flirt am Morgen mit einer Bäuerin“, erklärte Guddel. „Und was brutzelst du da zusammen?“
„Pilze mit Ei, was ganz Extraordinäres. Weck Egon man schon. Sie sind gleich gut und müssen heiß gegessen werden.“ Er nahm den Topf vom Feuer.
„Am besten essen wir der Reihe nach aus dem Topf, dann sparen wir Geschirr“, sagte er.
„Okay! Du mußt aber als letzter essen, sonst kriegen wir nichts mehr ab“, sagte Guddel und ging zum Zelt hinüber. Er riß einfach an der Schnur, die die Räder mit dem Zeltstab verband. Das Zelt stürzte ein.
„Steh auf, du Murmeltier!“ rief er dabei.
Egon, der noch fest geschlafen hatte, glaubte, irgendwelche entlaufenen Sträflinge machten einen Großangriff auf ihn und zappelte in dem Zelttuch herum wie ein Hering im Netz.
Er führte einen verzweifelten Kampf mit Rucksäcken und Zeltstäben. Endlich tauchte sein zerzauster Kopf ans Licht, zwei verquollene Augen starrten entsetzt in den Tag. Als er Guddel entdeckte, rief er wütend: „Du hast ja ‘ne feine Art, müde Menschen zu wecken. Warum baust du denn das Zelt ab?“
„Weil es gleich regnen wird, du Siebenschläfer! Nun husch mal fix in deine Klamotten, wir wollen essen.“
Egon kroch brummig aus dem Trümmerberg heraus.
„Ist Karl auch schon wach?“ fragte er.
„Der geht schon gleich wieder ins Bett“, sagte Guddel. „Im Augenblick ist er dabei, dir dein Leibgericht zu kochen, Fliegenpilze mit Ameiseneiern. Wenn du übrigens Wasser suchen solltest, da hinten ist ein Bach.“
„Wasser?“ fragte Egon. „Wofür?“
„Vielleicht möchtest du dir die Ohren schrubben.“
„Bin doch nicht lebensmüde!“ sagte Egon.
„Ach, richtig, du wurdest gestern abend ja von dem lieben Hündchen gebadet.“
Da rief Karl vom Waldrand: „Beeilt euch, wenn ihr noch was abhaben wollt!“
Egon gähnte steinerweichend und torkelte zum Frühstück. Karl hatte seinen Anteil von den Pilzen schon gegessen. Er hatte das Feuer neu entfacht und den Topf mit der Milch aufgesetzt. Nun griff Egon nach den Pilzen.
„Ist das was zum Essen?“ fragte er.
„Meinetwegen kannst du es auch trinken“, sagte Karl und sah Egon erschrocken an. „Mensch, wie siehst du denn aus? Hast du die Beulenpest?“
„Egon sieht doch immer
Weitere Kostenlose Bücher