Karl der Große: Der mächtigste Kaiser des Mittelalters - Ein SPIEGEL-Buch (German Edition)
lässt sich nicht beantworten.
Pippin steht nun kurz vor der Alleinherrschaft. Misslich ist freilich noch, dass Karlmann erbberechtigte Söhne hat, er aber nicht. Seine drei Jahre zuvor geschlossene Ehe mit der reichen Grafentochter Bertrada, genannt Berta, ist bisher kinderlos geblieben. Der Überlieferung nach haben die Eheleute deshalb fleißig gebetet, und siehe da: Am 2 . April 748 kommt ein gesunder Knabe zur Welt, ein Erbe, der auf den Namen Karl getauft wird. Man wird viel von ihm hören.
Drei Jahre später fühlt Pippin sich stark genug für eine folgenschwere Entscheidung. Er beordert die Großen seines Reiches nach Soissons und lässt sich zum König ausrufen, in getrennten Akklamationen vom Volk und von den Fürsten. Höhepunkt der Zeremonie ist ein religiöser Akt: Die Bischöfe salben Pippin an den Händen mit heiligem Chrisam, einem mit duftenden Essenzen angereicherten Olivenöl. Den unglücklichen Childerich III. schickt Pippin mit kurz geschorenen Haaren – also seiner Herrscherwürde beraubt – ins Kloster. Der Dynastiewechsel, den man zugespitzt als einen Staatsstreich bezeichnen kann, ist damit perfekt.
Pippins Orgel – eine faszinierende Fußnote der Musikgeschichte
Der byzantinische Kaiser Konstantin V . schickte dem fränkischen König Pippin 757 ein kostbares Geschenk: eine Orgel. Im westlichen Europa begann damit die Geschichte dieses Instruments, das für die Kirchenmusik enorm wichtig werden sollte. Die Orgel, eine Erfindung der Antike, ist zu dieser Zeit nur noch im oströmischen Reich bezeugt, wo sie hoch geschätzt wurde. Am kaiserlichen Hof von Konstantinopel galt sie als Prestigeobjekt; manche Instrumente sollen aus Gold gefertigt und mit Edelsteinen besetzt gewesen sein. Im Karolingerreich wurde das Geschenk anscheinend zum Vorbild: Für 826 ist belegt, dass ein venezianischer Ordensmann eine Palastorgel für Ludwig den Frommen erbaute.
Für künftige Monarchen wird das kirchliche Ritual stilbildend: Die Salbung, in der jeder gute Christ die Königssalbung Davids im Alten Testament wiedererkennt, zählt fortan zum festen Bestand von Krönungsfeiern. Pippin regiert als erster Frankenkönig »von Gottes Gnaden«.
Wie weit der Papst schon in Soissons seine Hände im Spiel hat, ist umstritten. Seinen großen Auftritt hat der Kirchenfürst drei Jahre darauf. Der Petrus-Nachfolger befindet sich in heikler Lage, denn wieder einmal bedrängen ihn die Langobarden. Papst Stephan II. sucht deshalb den Beistand Pippins und reist sogar ins Frankenreich. Bei drei Begegnungen schmieden sie ein Bündnis über die Alpen hinweg, das den politischen Horizont des gesamten Mittelalters prägen wird.
Beide profitieren erheblich. Obwohl er Adoptivsohn des verstorbenen Königs Liutprand ist, kündigt Pippin das Bündnis mit den Langobarden auf und geht militärisch gegen sie vor. So sichert er die Eigenständigkeit des entstehenden Kirchenstaates. Obendrein übereignet er dem Papst weite Landstriche in Italien.
Der päpstliche Beistand wiederum stärkt Pippins Stellung auf dem Königsthron. Stephan II. ernennt ihn zum Schutzherrn über Rom und salbt nicht nur den Monarchen, sondern auch seine Söhne Karl und Karlmann.
Sein Haus hat Pippin damit bestellt. Die nächsten Jahre widmet er vor allem der Eroberung Aquitaniens. Es ist ein zähes Stück Arbeit mit alljährlichen Feldzügen, bei denen der König nicht davor zurückscheut, den gegnerischen Herzog ermorden zu lassen. Am Ende hat der Mann, der oft im Schatten der Geschichte steht, auch dies erreicht: Aquitanien wird ein Teil des fränkischen Imperiums, was eine wichtige Grundlage für die spätere Entstehung Frankreichs ist. Pippin stirbt 768 . Seine beiden Söhne sind nun offene Rivalen.
TEIL III
KARL ALS KÖNIG
Der Riese mit der Fistelstimme
Brutal und gesellig war er, bildungseifrig und doch rücksichtslos: Der Charakter Karls des Großen ist nur mühsam zu erschließen. Seine Taten zeigen einen Mann, der aus dem Vollen zu leben wusste.
Von Georg Bönisch
Als Vater Pippin starb, der mächtige König, hatte er für seine beiden Söhne längst alles gerichtet, sorgfältig, fürsorglich, politisch äußerst geschickt. Eine besondere Form der Doppelherrschaft hatte er installiert – mit einem Ziel: das Land der Franken stabil zu halten und es zu wappnen gegen innere und äußere Feinde, gegen Aquitanier oder Awaren, gegen Sarazenen und gegen Sachsen. Es ganz nach oben zu bringen im Abendland, in Europa.
Karlmann, des Königs Jüngster,
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