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Karl der Große: Der mächtigste Kaiser des Mittelalters - Ein SPIEGEL-Buch (German Edition)

Karl der Große: Der mächtigste Kaiser des Mittelalters - Ein SPIEGEL-Buch (German Edition)

Titel: Karl der Große: Der mächtigste Kaiser des Mittelalters - Ein SPIEGEL-Buch (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannt
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war gerade mal 17 , und nun regierte er seit September 768 nach dem Willen des Alten ein Kerngebiet des Reichs: die Provence, das Languedoc, das Zentralmassiv, das Elsass, auch Alamannien und die Gegend unterhalb von Paris. Der einige Jahre ältere Karl kümmerte sich um Thüringen, Friesland, die Gascogne und Neustrien, die fränkischen Gebiete zwischen Loire und Schelde. Und um den nördlichen Teil Austriens, das Stammland der Familie an Maas, Mosel und Rhein. Aquitanien wurde zwischen beiden Brüdern aufgeteilt. Die Hauptstädte beider Territorien, Noyon und Soissons, lagen nach diesem neuen Zuschnitt des Frankenreichs ziemlich dicht beieinander, nur etwa 30 Kilometer voneinander entfernt. Vielleicht ein geschickter Dreh Pippins, um kurze Wege zu schaffen, denn die können hilfreich sein – wenn es etwa darum geht, Probleme aus der Welt zu schaffen.
    Karlmann herrschte zwar über einen geografisch kompakteren Länderblock; aber Karls Vorteil war: Seine Regionen brachten gutes Geld ein, schon der vielen abgabepflichtigen Klöster wegen und der Ländereien, deren Pächter ordentlich Steuern zahlten. Diese Unwucht hatte Pippin mit Sicherheit nicht beabsichtigt. Möglicherweise aber lag hier ein Grund dafür, dass sich schon direkt nach der Machtübernahme ein Dilemma bemerkbar machte: das unüberbrückbare Konkurrenzverhältnis zwischen den ungleichen Brüdern.
    Gewiss, bei dem ein oder anderen Sachthema demonstrierten Pippins Söhne Einigkeit – als es beispielsweise darum ging, zwölf fränkische Bischöfe zu einer Synode nach Rom zu schicken: Jeder benannte gleichberechtigt sechs Würdenträger. Und anfangs – ein weiteres Indiz vermeintlicher Brüderlichkeit – ließ der Papst Briefe und Botschaften jeweils an beide schicken. Später sortierte er die Post: Entweder schickte er sie an Karlmann – oder aber an Karl und beider Mutter Bertrada.
    »Wir wissen«, schrieb der Mittelalter-Experte Martin Lintzel schon vor über 80 Jahren, dass das »Verhältnis zwischen Karl und seinem Bruder äußerst gespannt« war – aber niemand weiß bis heute sicher, warum es so kam und »aus welcher Zeit die Feindschaft zwischen ihnen« datierte. Die Quellenlage jener Jahrzehnte im Mittelalter ist dünn, dennoch hinreichend dicht genug, um zumindest ein Argument aus dem Felde zu schlagen: Karlmann habe seinen älteren Bruder gehasst, weil der ein Bastard gewesen sei, ein uneheliches Kind – und schon deshalb mit ihm, dem ehelichen Sohn Pippins und Bertradas, nicht auf gleicher Stufe hätte stehen können. Lange ist diese alte Vermutung weitergereicht worden. Nur sie stimmt nicht, denn sie gründet auf falschen Annahmen über das Alter Karls. Was freilich stimmt, ist die Tatsache, dass sich Karlmann verweigerte, als Karl ihn im Jahr 768 energisch darum bat, gemeinsam eine Rebellion im stets unruhigen Aquitanien niederzuschlagen – ein Affront, der den älteren Bruder empfindlich getroffen haben muss. Kriegsverweigerung, das war für ihn Fahnenflucht. Oder Feigheit vor dem Feind. Und doch blieb Karl erstaunlich gelassen. Sein Biograf Einhard lobte die Seelenstärke, mit der er die Rivalität und die Missgunst Karlmanns ertragen habe. Einhard freilich lobte seinen König meist.
    Diese Zeit der Doppelherrschaft war, anders wahrscheinlich, als Pippin es sich vorgestellt hatte, eine bleierne Zeit für die ansonsten so quirlige Dynastie der Karolinger. Davor und danach sei immer ein »aggressives Vorschreiten« erkennbar gewesen, analysierte Lintzel. Nur in der Phase des Bruderzwists nicht: Hier habe eine »merkwürdige Passivität« geherrscht, ein »starkes Friedensbedürfnis«.
    Möglich, dass genau diese Phase einen Bruderkrieg verhinderte, der, so sagte es der Bremer Mediävist Dieter Hägermann, »unabsehbare Folgen« für die kaum konsolidierte Herrschaft der Söhne Pippins hätte haben können. Ein offener Kampf – er wäre wohl das schnelle Ende der Karolinger gewesen. Karlmann starb nach kurzer Krankheit am 4 . Dezember 771 , ein Tod zur rechten Zeit. In Windeseile riss Karl das Land des Bruders an sich, ohne dabei auf wirklichen Widerstand von Karlmann-Getreuen zu stoßen. Dass er, wie ab und an vermutet wurde, einen Mord in Auftrag gegeben haben könnte, ist reine Spekulation. Eine solche Order hätte auch kaum gepasst zu seinem Persönlichkeitsbild.
    »Gott«, jubelte ein Mönch, habe Karl »über dieses ganze Reich erhoben ohne Blutvergießen«. Jetzt begann sein Aufstieg zum Star auf Europas Bühne. Am Ende sollte

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