Karl der Große: Der mächtigste Kaiser des Mittelalters - Ein SPIEGEL-Buch (German Edition)
eigenem Gutdünken Bischöfe und Äbte oder tauschte sie aus. Karl scheute sich nicht, den geistlichen Würdenträgern seines Reiches Anweisungen zu geben: 784 / 78 5 bestimmte er in einem »Brief über die Pflege der Studien« die Gründung von Schulen in kirchlichen Einrichtungen, forderte eine einheitliche Liturgie und pochte auf die Verwendung des klassischen Lateins wie die korrekte Überlieferung biblischer Texte.
Wenige Jahre später verpflichtete er im Kapitular »Allgemeine Ermahnung« seine Untertanen zur Einhaltung christlicher Gebote – und schloss dabei die Kirchenfürsten des Reiches ausdrücklich mit ein. Karls Ordnungswille ging aber noch weiter: Um 800 ließ er sein gesamtes Königsgut erfassen – Gebäude, Tiere, Gerätschaften. In einer Landgüterverordnung gab er den Verwaltern seiner Krongüter detaillierte Anweisungen für die Zucht von Geflügel und Großvieh, den Gewürz- und Gemüseanbau, die Pflanzung von Bäumen und Rebstöcken. Die Verwalter hatten genaue Rechenschaft über Ernteerträge, Gewinne und Überschüsse abzulegen.
Trotz aller Vorschriften und Kontrollmechanismen war das Frankenreich keine wohlgeordnete »Nation« im modernen Sinn; eine Verfassung oder fränkische »Staatsbürger« gab es nicht. Daran änderte sich auch nichts, als Papst Leo III. dem Frankenkönig im Jahr 800 die römische Kaiserwürde verlieh.
Fünf Jahre zuvor hatte Karl seine Pfalz in Aachen zur dauerhaften Winterresidenz gemacht. Hier konnte der Frankenherrscher seinen Hobbys frönen, der Jagd und auch dem Schwimmen: Seit der Antike war die Gegend bekannt für ihre heißen Naturquellen.
»Frieden, Gesundheit, Kriegsglück«
Karls Brief an seine vierte Ehefrau, Königin Fastrada
Aus dem September 791 stammt der einzige überlieferte Brief Karls an eine seiner Ehefrauen. Während er im Osten seines Reiches einen Feldzug gegen die Awaren befehligte, blieb Königin Fastrada mit den Töchtern in Regensburg. Das Paar war seit acht Jahren verheiratet.
Karls Sorge um die Gesundheit seiner Gemahlin gehört zu den seltenen persönlichen Äußerungen aus jener Zeit. Aber das Private ist hier immer auch politisch: Der König will wissen, wie weit die Königin in der Lage ist, durch christliche Taten am Heil des Reiches mitzuwirken. Fastrada, deren genaues Alter nicht bekannt ist, starb im August 794 in Frankfurt an Zahnfäule.
Karl, von Gottes Gnaden König der Franken und Langobarden, Patricius der Römer, an seine geliebte, sehr liebenswerte Ehefrau und Königin Fastrada:
Einen liebevollen Gruß sollen Dir mit Gott diese Zeilen bringen und durch Dich auch unseren süßesten Töchtern und den anderen meiner Getreuen, die bei Dir sind. Du sollst wissen: Gott sei Dank bin ich gesund und wohlauf. Ein Bote meines geliebten Sohnes Pippin hat mir gemeldet, dass dieser und auch der Herr Papst gesund sind und dass meine Landstriche dort gerettet sind; darüber bin ich sehr froh.
Ferner hat er erzählt, wie meine Truppen, die ich zuvor angewiesen hatte, von Italien aus in das Land der Awaren zu ziehen und es zu besetzen, am 23. August tatsächlich dort einmarschiert sind. Sie begannen einen Kampf mit den Awaren, und der allmächtige Gott hat ihnen in seiner Barmherzigkeit den Sieg geschenkt; viele haben sie getötet. Lange, so sagen sie, habe es kein größeres Blutbad unter den Awaren gegeben. Sie haben auch deren Befestigung geplündert und sich dort während der Nacht bis zur dritten Stunde des folgenden Tages aufgehalten; dann sind sie mit der Beute friedlich heimgekehrt. 150 Awaren haben sie lebend gefangen genommen und halten sie fest, bis ich Befehl gebe, wie sie mit ihnen umgehen sollen. … Ich habe mit Hilfe des Herrn drei Tage lang Gottesdienst abgehalten, angefangen am 5. September, einem Montag, auch am Dienstag und Mittwoch. Wir haben Gott um Erbarmen gebeten, dass er uns Frieden, Gesundheit, Kriegsglück und gutes Vorwärtskommen schenke, auch dass er in seiner Barmherzigkeit und Güte für uns Hilfe, Rat und Abwehr in allen Engpässen sei.
Meine Priester haben befohlen, dass (während dieser Zeit) alle, die es wegen ihrer Gebrechlichkeit, ihres Alters oder ihrer Jugend vermochten, Wein und Fleisch nicht anrühren sollten. Wenn jemand sich davon befreien wollte, so dass er an den drei Tagen Wein trinken dürfe, sollten Mächtigere und Vermögendere pro Tag einen Schilling zahlen, weniger Vermögende so, wie sie eben konnten. Wenn jemand nicht mehr geben und doch Wein trinken wollte, sollte er immerhin
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