Karl der Große: Der mächtigste Kaiser des Mittelalters - Ein SPIEGEL-Buch (German Edition)
Fastrada, Karls vierte Ehefrau, mit der er elf Jahre lang zusammenlebte, dürfte noch, weil sie selbstbewusst war, als Beraterin eine gewisse Rolle gespielt haben.
Der Frankenherrscher tat viel für seine Kinder, und er war, das scheint festzustehen, ein guter Vater. Ob Mädchen oder Jungen, alle genossen eine solide Ausbildung »in den Wissenschaften«, so Einhard, »an denen er selbst interessiert war« – in den sprachlich-literarischen Grundlagen, aber auch in Astronomie. Gerade an den Töchtern und Enkelinnen hing sein Herz: »Wenn Karl zu Hause war, aß er nie ohne sie und nahm sie stets auf seine Reisen mit.« Eine Schar von Leibwächtern sorgte unterwegs für ihren Schutz. Keine seiner Töchter, die »ungemein schön waren« (Einhard), gab er einem Mann – wahrscheinlich um Schwiegersöhne zu verhindern, bei denen Machtansprüche hätten geweckt werden können. Den auferlegten Eheverzicht, da waren sie ganz des Vaters Nachkommen, kompensierten die jungen Damen mit zahlreichen Liebschaften. Gelegentlich ging es dabei so heftig zu, dass Alkuin einen seiner Schüler warnte, er dürfe die »gekrönten Tauben, die durch die Gemächer der Pfalz flattern, nicht vor sein Fenster kommen« lassen.
Der Historiker Josef Fleckenstein hat den Franken ein »Genie der Freundschaft« genannt – wie schon Chronist Einhard, der als herausragende Eigenschaft Karls seine »magnanimitas« lobte, seine Hochherzigkeit. Drei Männer mindestens werden anders gedacht haben. Wegen vermeintlicher Fahnenflucht und angeblichen Hochverrats ließ Karl seinen Vetter Tassilo 788 zum Tode verurteilen; seinen kurzzeitigen Schwiegervater Desiderius verschleppten Schergen ins Frankenreich. Auch Sohn Pippin, »den Buckligen«, traf Karls Zorn – weil er sich mit anderen Adeligen gegen ihn erhoben hatte. Immerhin, Karl hat ihnen das Leben gelassen. Sie verschwanden allerdings für den Rest ihres Lebens hinter Klostermauern.
Der Badekönig
Regieren war für Karl ein permanenter Kraftakt. Um seine Macht zu erhalten, nutzte der Frankenherrscher einen gut organisierten Verwaltungsapparat, erließ Gesetze und war ständig unterwegs.
Von Felix Bohr
Wenn der mächtigste Herrscher des Mittelalters mal frei hatte, ging er baden. Karl der Große liebte heiße Naturquellen. »Er schwamm sehr viel und so gut, dass es niemand mit ihm aufnehmen konnte«, schreibt sein Biograf Einhard. Der Frankenkönig habe »nicht nur seine Söhne, sondern auch Adelige und Freunde, manchmal sogar sein Gefolge und seine Leibwache zum Baden« eingeladen. »Oft badeten mehr als hundert Leute mit ihm«, erzählt der Biograf.
Karl war selten allein, nicht nur beim Schwimmen. Zeit seines Lebens umgab ihn ein üppiger Verwaltungsapparat, bestehend aus Dutzenden Beamten, Dienern, Getreuen und Gelehrten: der königliche Hof. Er bildete die Basis der Frankenherrschaft. An der Spitze des Hofes standen König und Königin mit ihren Töchtern und Söhnen. Hinzu kamen weitere Nachkommen von Karls Geliebten. Den reibungslosen Ablauf des Alltags organisierten die Inhaber der Hofämter, die Minister: Der Kämmerer (Kammerherr) führte den Gesamthaushalt – unter Aufsicht der Königin. Er war auch »für den Schmuck des Königs« zuständig, berichtet Erzbischof Hinkmar von Reims in seiner »Palastordnung« (»De ordine palatii«). Der Kämmerer musste »immer rechtzeitig den künftigen Bedarf voraussehen, damit nichts im gegebenen Augenblick, wenn es benötigt wurde, irgendwo fehlte«. Für die Versorgung der Herrscherfamilie mit Getränken war der Mundschenk zuständig; Personalchef des Hofes war der Seneschall (Altknecht). Und um das königliche Militärwesen kümmerte sich der Marschall (Pferdeknecht).
Für den Schriftverkehr Karls des Großen zeichnete die königliche Hofkapelle verantwortlich: In einer Schreibstube überwachte der Kanzler die Ausfertigung aller Urkunden, Briefe und Anweisungen, die der Kapellan archivierte. Die Hofkapelle verwahrte auch den reichen Reliquienschatz des Frankenherrschers, insbesondere die Capella (Mäntelchen) des heiligen Martin, von der die Kanzlei ihren Namen hatte. Der 397 gestorbene Bischof von Tours, der nach der Überlieferung seinen Mantel teilte, um einen Armen zu wärmen, war seit den Merowingern Schutzherr der fränkischen Könige. An seinem Hof versammelte Karl zudem renommierte Gelehrte seiner Zeit um sich. Sie alle buhlten um die Gunst des Herrschers. »Eine streitsüchtige Grundstimmung durchwehte die Runde«, schreibt der
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