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Karlas Umweg: Roman (German Edition)

Karlas Umweg: Roman (German Edition)

Titel: Karlas Umweg: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hera Lind
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was wie »Brot und Spiele« im alten Rom. Da unten auf der Bühne stirbt entweder jemand, oder er verlässt nach zwei Stunden lebend den Saal. Und die Professoren machen Daumen rauf oder Daumen runter.
    Dann waren da noch so einige Alternativis und Spontis, die lümmelten weiter hinten und hatten die Beine auf den Vordersitzen geparkt. Das waren natürlich keine Sänger, sondern vermutlich Obdachlose, die den Abend lieber kostenlos in einem geheizten Raum verbrachten als in trüben U-Bahn-Stationen auf ihren Wolldecken, wo sowieso das Radio kaputt war. Einer von den Spontis verzehrte recht geräuschvoll knisternd ein paar mitgebrachte Stullen mit Leberwurst, deren Aroma sich auf interessante Weise mit dem seiner feuchten Kunstlederstiefel mischte.
    Ich drängelte mich wichtig und geschäftig an allen Müßiggängern vorbei auf die Bühne, die nur schwach beleuchtet war und auf der ein glänzender schwarzer Flügel stand, mit zwei Stühlen davor, einer davon war mein Arbeitsplatz! Zuerst erwog ich, mich einfach darauf zu setzen und den Auftritt dieser Sängerin samt ihrem Pianisten abzuwarten, aber dann fürchtete ich, die Überraschung könnte die arme Dame, die nervlich sowieso am Ende sein dürfte, am Singen hindern, und so drang ich klopfenden Herzens hinter den Vorhang in die Welt der wahren Künstler ein. Es kostete schon etwas Mut, einfach so über die Bühne zu latschen und hinter die Kulissen zu gehen, zumal mich niemand erwartete.
    Hier war grelles Neonlicht, und dicke Staub flocken schwirrten umher, als hätten sie selber Lampenfieber. Ein magerer Mensch mit schütterem Haar im trübe wirkenden Frack stand rastlos an seiner gelblichen Fliege zupfend vor einem zersprungenen Spiegel, während hinter einer Tür glockenhelle Tonleitern hervorquollen. Ich ging zu dem nervösen Mann, der offensichtlich der Pianist war, und sagte, dass ich in Vertretung für den Matthäus hier sei, der leider wegen einer Magen-Darm-Verstimmung verhindert sei.
    »Das fängt ja gut an«, sagte der nervöse Mensch gereizt. Er ließ mich stehen und pochte an die Tür, hinter der das Angstgeschrei abrupt verebbte.
    »Marie? Der Blätter-Fritze ist nicht gekommen!«, rief er erregt. Die Tür flog auf. Im Türrahmen stand eine wunderschöne rassige Frau im langen schwarzen Samtkleid, deren Wangen vor Aufregung glühten. Sie mochte Anfang dreißig sein. Ihre langen schwarzen Haare hatten einen Stich ins Kupferrötliche und waren kunstvoll hochgesteckt, wobei einige Locken sich wie zufällig um ihren Hals herum ringelten. Auf dem Samtkleid war nur eine schmale Goldnadel befestigt, deren Saphir im Licht glänzte. Ihr weißer Schwanenhals war geschmückt mit einer mehrreihigen Perlenkette, die im Licht funkelte, sooft die makellose Dame sich bewegte.
    »Ich bin heute Abend der Blätterfritze, wenn’s genehm ist«, sagte ich, den lockeren Umgangston von Matthäus nachahmend. »Karla Umweg mein Name.«
    »Ach, das ist die Kleine mit der Hochbegabtenprüfung«, sagte der Professor, der auch im Prüfungskomitee gesessen hatte. »Marie, die hat 180 Punkte von 180 erreicht. Die kann deinen Liederabend umblättern, mach dir keine Sorgen.«
    »Ich mache mir überhaupt keine Sorgen«, sagte Marie, die umwerfend aussehende Sängerin. Sie lächelte mich flüchtig an. Die ganze Frau blendete vor Eleganz, und ich kam mir in meinem verwaschenen Sweatshirt und den unkleidsamen Cordhosen neben ihr so plump vor wie ein Kartoffelsack neben einer Champagnerflasche.
    »Sie hat anscheinend nichts anzuziehen«, sagte der Pianist zu der rassigen Sängerin in Samt. Er schien nicht willens zu sein, anders als in der dritten Person von mir zu reden. Ich fand seine Bemerkung übertrieben, denn immerhin war ich ja nicht ganz unbekleidet, aber Cordhosen und Sweatshirt sind auf der Bühne gleichbedeutend mit Nacktsein. Auch in der Hochschule der Künste, egal, wer da im Publikum rumlümmelt, hörte ich Mama sagen. Der Ton macht die Musik. Und wir sind keine Proleten. Von wegen Ellbogen auf dem Tisch und so. Wir nicht.
    »Kommen Sie rein, schnell«, sagte die wunderschöne Marie in dem fantastischen Abendkleid. Mit kühler, gepflegter Hand zog sie mich in ihre Garderobe.
    «Edwin, deine Fliege ist auch kein Ausbund an Ästhetik«, sagte sie noch zu dem miesepetrigen Begleiter, bevor sie ihm die Tür vor der Nase zuschlug.
    »Ziehen Sie das hier an«, sagte sie so glockenrein, wie nur Sänger sprechen können, mit vorderem gestütztem Nasen-Stirnhöhlensitz. Ich verstehe

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