Karlas Umweg: Roman (German Edition)
Klavierbegleiter der Kandidaten. Harald Gernhaber will unbedingt in ihrer Nähe sein, weshalb er einen Kursus für Geigenbau an der Salzburger Sommerakademie belegt hat. Clemens Matulka, der stets zu Scherzen aufgelegte Tenor, singt bei den Salzburger Festspielen den Ersten Geharnischten, eine Nebenrolle die nicht ohne Tücke ist, und James Holzapfel besucht einen Psychoanalytiker-Kongress am Wolfgangsee. Roland, der kleinwüchsige Entenhalter, hat seit Jahren ein Festspielabo und wird über kurz oder lang ebenfalls durch die Getreidegasse schlendern. Bleibt nur noch zu hoffen, dass auch Willem den Weg in diese gastliche Festspielstadt finden wird! Ich wüsste nicht, was mich glücklicher machen würde als eine Pferdekutschfahrt mit Willem durch diese bezaubernde, völlig unverdorbene Kleinstadt an der Salzach! In »Sound of Music« kriegt das Kindermädchen am Schluss auch den Vater. Und sie singen dabei ohne Ende. Das Frappierende an dieser ohnehin schon frappierenden Ähnlichkeit zu meiner eigenen Geschichte ist, dass Julie Andrews anfänglich ebenso beruflich irrte wie ich: sie wollte es im Kloster zu etwas bringen und ich auf dem Konservatorium. Dabei ist das Geheimnis so schlicht und einfach: man nehme sich den stinkreichen, gut aussehenden Mann einer untauglichen bzw. toten – im Film ist sie tot – Ehefrau, hüte dessen Kleinkind – okay, im Film waren es gleich sieben auf einen Streich – und überzeuge durch Schlichtheit, Charme und Anmut den gehörnten – bzw. verwitweten – Ehemann. Die Hochzeitsglocken läuten dann in Mondsee. Aber ich moduliere ins Weinerliche.
Ich komme zurück zur Hauptperson meiner Geschichte: Marie. Um mich geht es hier ja nun wirklich nicht. Marie also will bei all diesem Stress den Stardirigenten Eugen Paterne kennenlernen, der ihr die lang erträumte Weltkarriere endlich erschließen wird. Wie gut, dass ich in dieser Festspielinszenierung nur eine Statistenrolle innehabe. Das kann sich übrigens ändern, wenn Willem endlich den Weg zu mir findet. Es kann sich eigentlich nur noch um Wochen handeln. Na ja, meinetwegen können es Monate werden. Oder Jahre. Ich bleibe dran.
Marie lud mich abends zum Essen ein. Sie hatte sich wahnsinnig in Schale geworfen und sah umwerfend aus. Wir gingen in eines der teuersten Feinschmecker-Restaurants in Salzburg: den Hirschen. Das hatte die Festspielleitung den Juroren empfohlen.
»Morgen ist hier offizieller Empfang mit Paterne und ich wollte den Laden vorher schon einmal gesehen haben«, sagte Marie nervös.
»Wieso willst du den Laden vorher schon einmal gesehen haben?«
»Wegen der Lichtverhältnisse«, klärte sie mich auf. »Es kommt unheimlich auf den ersten Eindruck an, den ich mache. Ich muss versuchen, dort unter dem Kronleuchter zu sitzen. Das Grüne werde ich anziehen. Das sieht in diesem Licht irre gut aus.«
Maries Augen sind grün, und wenn der Kronleuchter sie anstrahlt, kann das schon sehr effektvoll sein.
»Auf wen willst du denn Eindruck machen?«, fragte ich dümmlich. »Ist der Harald Gernhaber denn schon angekommen?« Zugegeben, ich stellte mit Absicht so eine dumme Frage. Harald Gernhaber würde nie so einen teuren Laden betreten. Vermutlich ließen sie ihn mit seinem Rucksack und seinen Atomkraftneindankestickern auch gar nicht rein.
Marie verzog den Mund: »Weißt du, Karla, nichts gegen den Harald, wirklich. Aber hier in Salzburg wird er mir vielleicht lästig sein. Ich finde es zwar wahnsinnig süß von ihm, dass er mir nachreisen will …«, sie kicherte und drehte ihr Campari-Glas im Lichtschein des Kronleuchters gedankenvoll hin und her, »… aber ich wäre hier lieber ungestört. Außerdem ist der Hirsch nichts für Haralds Geldbeutel. Der bleibt lieber in seiner Jugendherberge oben auf der Burg.«
»Klar«, sagte ich. »Kann ich verstehen.« Marie bestellte beim Oberkellner ein ausgedehntes Menü. Sie hatte sich bereits vorher beraten lassen, was in diesen teuren Hallen zu speisen Usus sei. Der Oberkellner im Frack dienerte und sparte nicht mit vielen überflüssigen Floskeln. Hier in Salzburg scheint ein solcher Umgangston aber üblich zu sein. Er schämte sich jedenfalls nicht, dass ihm so viele »gnädige Frauen« entwichen. Auch hatte er mir die Hand geküsst, die ich ihm eigentlich nur schütteln wollte. Endlich verschwand er.
»Karla, es gibt einen bestimmten Grund, weshalb ich heute Abend mit dir allein sprechen will«, sagte Marie, als der Kellner außer Hörweite war.
»Ja?« Vielleicht
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